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AHO Aktuell - 19.10.1999

Fuchsbandwurm: Larve wächst in der Leber wie ein Tumor


Kein anderer Parasit in Mitteleuropa ruft beim Menschen eine so
gefährliche Erkrankung hervor wie der Fuchsbandwurm: Das Krankheits-
bild ist durch eine tumorartige Wucherung in der Leber gekennzeichnet,
die ohne Behandlung tödlich verläuft.

Der Mensch infiziere sich, so Prof. Dr. Matthias Frosch vom Institut
für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg, durch die
Aufnahme der Bandwurmeier über den Mund. Die Eier werden vom Fuchs,
in dessen Darm die erwachsenen Bandwürmer heranreifen, mit dem Kot
ausgeschieden und gelangen möglicherweise über die Nahrungskette -
diskutiert wird unter anderem der Verzehr von ungewaschenen
Waldfrüchten - oder auch beim Einatmen in den Menschen.

Im Dünndarm schlüpft aus den Eiern eine Larve, die in die Leber
gelangt und dort zu einem schwammartigen Gewebe heranwächst, das die
Eigenschaften eines bösartigen Tumors hat. Da dieses Larvengewebe
nur sehr langsam wächst, vergehen bis zu 15 Jahre, ehe sich Symptome
zeigen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Erkrankung jedoch meist schon weit
fortgeschritten und therapeutisch nur noch schwer zugänglich.

Die neuesten Forschungsergebnisse über den Fuchs- und auch den
Hundebandwurm standen im Mittelpunkt der internationalen Tagung
"Interdisciplinary Forum on Echinococcosis", die am 16. Und 17. April
1999 im Hörsaal des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie der
Universität Würzburg stattfand. Dort trafen sich etwa 50 Wissen-
schaftler aus Deutschland, England, Frankreich, der Schweiz, Italien
und Australien, um aktuelle Aspekte der Epidemiologie, Diagnose,
Therapie und Impfstoffentwicklung gegen die durch den Hunde- und
Fuchsbandwurm hervorgerufenen Erkrankungen zu diskutieren.

Organisiert wurde das Treffen von den Würzburger Professoren Dr.
Uwe Groß und Dr. Matthias Frosch in Zusammenarbeit mit der Deutschen
Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, der Deutschen Gesellschaft
für Parasitologie und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft. Gefördert
wurde die Tagung auch vom Bayerischen Staatsministerium für
Wissenschaft, Forschung und Kunst. Die Veranstalter boten eine
öffentliche Diskussionsrunde an, bei der sich alle Interessierten
über die Thematik informieren konnten.

Wie groß die Gefahr ist, sich eine Fuchsbandwurm-Erkrankung zu holen,
kann laut Prof. Frosch nur schwer abgeschätzt werden, weil exakte
wissenschaftliche Daten fehlen. Auch das Wissen über die Verbreitung
des Fuchsbandwurms und die Häufigkeit seines Auftretens in Füchsen ist
nur bruchstückhaft. Beispiel Schwäbische Alb: Dort kommt der
Fuchsbandwurm häufig vor; in einigen Regionen sind 75 Prozent aller
Füchse befallen. Da in einem einzigen Fuchs viele Tausend erwachsene
Bandwürmer leben können und ein Bandwurm im Laufe seines Daseins
Hunderte bis Tausende infektiöse Eier hervorbringt, ist in diesen
Regionen eine besonders hohe Gefährdung der Bevölkerung zu erwarten.

Eine Meldepflicht, mit der eine gute Übersicht über die Verbreitung
in Mitteleuropa möglich wäre, besteht für diese Krankheit nicht.
Daher wurde 1998 mit Unterstützung der Europäischen Union in Ulm das
"Europäische Echinokokkose-Register" eingerichtet. Es ist in der
Abteilung "Biometrie und Medizinische Dokumentation" der Universität
angesiedelt, Schwabstraße 13, 89075 Ulm, T (0731) 50 26-897,
Fax (0731) 50 26-902. Prof. Dominique Vuitton aus Besançon (Frankreich)
lieferte bei der Tagung erste Informationen über die bislang erfassten
345 Krankheitsfälle aus Frankreich, Österreich, Deutschland und der
Schweiz.

Die Teilnehmer der Tagung befassten sich zudem mit grundlegenden Fragen
zur Entwicklung und Auswirkung der Krankheit beim Menschen. Es gibt
Hinweise, dass eine bestimmte erbliche Veranlagung vor der Entwicklung
einer Erkrankung mit dem Fuchsbandwurm schützt. Zu dieser Erkenntnis
gelangten die Wissenschaftler, nachdem sie die Gewebegruppeneigen-
schaften von 151 Patienten untersucht hatten. Neue Methoden für die
Frühdiagnostik durch bildgebende Verfahren und durch die Serologie
wurden diskutiert. Doch auch die bewährten Therapieverfahren -
Radikaloperation und Chemotherapie - standen im Mittelpunkt der Tagung.

Im Gegensatz zum Fuchsbandwurm, der nur auf der nördlichen Erdhalbkugel
- entsprechend den Verbreitungsgebieten des Rot- und des Polarfuchses
- vorkommt, ist der nahe verwandte Hundebandwurm weltweit anzutreffen.
Er kommt insbesondere in Ländern mit niedrigen Hygiene-Standards vor,
wo Hunde frei umherlaufen, die Erkrankung in die Häuser tragen und
den Menschen über die Eier im Hundekot infizieren. Im Vergleich zum
Fuchsbandwurm ist die Prognose dieser Erkrankung besser, da der Parasit
in Leber und Lunge abgegrenzt in einer Zyste wächst, die chirurgisch
meist sehr gut komplett entfernt werden kann.

Prof. Carlo Felici aus Pavia (Italien) stellte ein in Deutschland
noch umstrittenes Therapieverfahren vor, das gegen die Hundebandwurm-
Infektion des Menschen zum Einsatz kommt. Prof. Felici verfügt
weltweit über die größten Erfahrungen mit dieser neuen, nur wenig in
den Organismus eingreifenden Behandlungsform: Ultraschallgesteuert
erfolgt dabei eine Punktion der Zyste oder Tochterzyste. Nach der
Entnahme der Flüssigkeit aus der Zyste wird der verbleibende Rest
kurzfristig mit hochprozentigem Alkohol desinfiziert. Dies reicht
aus, um die Larve des Bandwurms abzutöten.

Die Erfolge dieser sogenannten PAIR-Behandlung haben auch Kritiker
überzeugt. Die Verlaufsuntersuchung von über 1.000 Patienten wurde
vorgestellt und diskutiert. Eine Impfung für den Menschen gegen den
Hundebandwurm ist noch nicht in Sicht. Prof. Marshall Lightowlers
aus Melbourne (Australien) stellte aber die Daten einer erfolgreich
verlaufenen Impfkampagne vor, bei der Schafe in Australien und
Neuseeland gegen diesen Bandwurm gewappnet wurden.

Die Veranstalter zogen insgesamt ein sehr positives Resümee. Der
besondere Reiz der Würzburger Tagung bestand laut Prof. Frosch darin,
dass sich klinisch tätige Ärzte, Mediziner aus theoretischen
Instituten, Parasitologen und Naturwissenschaftler zu einem inter-
disziplinären Forum zusammenfanden. Dies erlaubte den Austausch
von Erfahrungen aus dem klinischen Alltag bei der Behandlung der
Patienten, von Erkenntnissen über die bestmöglichen Diagnose-
verfahren sowie von neuesten Ergebnissen aus dem Bereich der
Grundlagenforschung. Aus dem Gespräch zwischen diesen unterschied-
lichen Bereichen lassen sich Synergieeffekte erwarten, die künftig
ein besseres und koordinierteres Vorgehen im Kampf gegen die
gefährlichen und weit verbreiteten Hunde- und Fuchsbandwurm-
erkrankungen ermöglichen.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Matthias Frosch,
T (0931) 201-5160,
Fax (0931) 201-3445,

idw vom 9.04.1999
 



 

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