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AHO Aktuell - 03.12.1999

Wenn Einsamkeit krank macht

Von Stubenvögeln und ihren Bedürfnissen


(bpt) Mehr als neun Millionen Ziervögel werden in
Deutschland als Heimtiere gehalten - leider oft fernab
ihrer biologischen Bedürfnisse. Ob Zierfink,
Kanarienvogel, Wellensittich oder Papagei, ein
Grundbedürfnis haben sie alle: das Zusammenleben
mit einem Sozialpartner. Viele ihrer Verhaltensweisen
dienen der sozialen Kontaktpflege untereinander und
werden im natürlichen Lebensraum innerhalb eines
Familienverbandes oder Schwarmes, bei Papageien
auch zwischen den gegengeschlechtlichen
Lebenspartnern gepflegt. Dazu gehört der Balzgesang
des Kanarienvogels ebenso wie das werbende Füttern
des Wellensittichs oder die Imitationskünste des
Graupapageis.

Nach wie vor werden Stubenvögel überwiegend
einzeln gehalten und müssen auf einen
artentsprechenden Sozialpartner verzichten. Der
Mensch wird zum Ersatzpartner und zieht aus dieser
Rolle vermeintliche Vorteile. Der einzeln gehaltene
Kanarienvogel singt öfter, der Sittich wird leichter
fingerzahm, der Papagei anhänglicher und
unterhaltsamer.

Tierärzte wissen, wie schnell sich diese Haltungsform
ins Gegenteil verkehren kann, denn so mancher Vogel
gibt sich mit dem Ersatzpartner Mensch nicht
zufrieden. Die einsamen Tiere werden seelisch und
physisch krank. Besonders drastisch zeigt sich dies bei
Sittichen und Papageien, die in ihrer Not aus dem
Bedürfnis nach gegenseitiger Gefiederpflege einen Akt
der Selbstzerstörung machen. Meist nach Erreichen
der Geschlechtsreife (bei Papageien im Alter von drei
bis acht Jahren) beginnen die Tiere ihr Gefieder zu
benagen, sich zum Teil nackt zu rupfen oder sich tiefe,
blutende Wunden zuzufügen. Nur das intakte
Kopfgefieder zeugt dann noch von der einstigen
Pracht. Dem Verlust der wärmenden Federisolierung
folgen nicht selten hartnäckige Atemwegsinfektionen.

Auch die Fettsucht vieler Stubenvögel ist häufig eine
Folge von Vereinsamung. Die Isolationshaltung, meist
gepaart mit einem Mangel an Bewegungsfreiraum,
optischen und akustischen Reizen läßt die
Futteraufnahme zur einzigen Beschäftigungsmöglichkeit
werden. Wer könnte es den Tieren verdenken, daß sie
unter solchen Haltungsbedingungen mehr Futter
aufnehmen, als ihrer Konstitution zuträglich ist? Sie
werden träge, bald auch flugunfähig und haben eine
verkürzte Lebenserwartung.

Mit Spiegel und Plastikspielzeug soll dem einzeln
gehaltenen Wellensittich die Langeweile vertrieben
werden. Das emsige Treiben mit diesen
Gegenständen ist oft nicht mehr als agressives
Balzverhalten und gerät für den männlichen
Wellensittich zum Dauerstreß. Unermüdlich erbricht er
Futterkörner vor diesen Utensilien, das werbende
Füttern wird zur Manie.

Natürlich muß der Tierarzt für alle diese Symptome
auch organische Erkrankungen in Betracht ziehen und
durch sorgfältige Untersuchung ausschließen. In
vielen Fällen jedoch bewahrheitet sich die
Verdachtsdiagnose einer Haltungspsychose. Bei
solchen Patienten müssen zusätzlich zur
medizinischen Versorgung die Haltungsbedingungen
nachhaltig verbessert werden. Neben der optimalen
Ernährung gehört dazu ein ausreichend großer Käfig,
in dem zumindest eine Flugbewegung möglich ist. Der
Standort muß lärm- und zugfrei sein, aber
Familienanschluß bieten. Kletter-, Nage- und
Spieltrieb können durch Obstbaumzweige und ein
wechselndes Angebot an sinnvollem Spielzeug
gefördert werden. Eine Bademöglichkeit oder eine
Dusche mit der Blumenspritze darf nicht fehlen. Ein bis
zwei Stunden am Tag muß ein Vogel frei fliegen
dürfen. Besonders wichtig ist die Einrichtung einer
täglichen Sozialstunde, in der sich der Besitzer durch
Ansprache und Körperkontakt intensiv mit seinem
gefiederten Pflegling beschäftigt.

Trotz all dieser Bemühungen stellt sich nicht bei jedem
Patienten die angestrebte Verhaltensnormalisierung
ein. Dann muß ein geeigneter artentsprechender
Lebenspartner gefunden werden. Im Falle von
Papageien ist dies besonders schwierig, denn für eine
Partnerschaft, die lebenslang halten soll, wird längst
nicht jeder Artgenosse akzeptiert. Oft kann nur in
großen Flugvolieren mit Ausweich- und
Auswahlmöglichkeit eine erfolgreiche nachträgliche
Verpaarung ermöglicht werden.

Vogelliebhaber, die von vornherein die Weichen für ein
erfülltes, natürliches Miteinander stellen wollen, sollten
bereits bei der Anschaffung zwei Tiere einplanen.


Bpt - Pressedienst

 



 

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