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AHO Aktuell - 13.10.2000

"Kampfhunde": Tierärzte fordern realistische Gefahrenprävention


Frankfurt am Main (ots) - Im Rahmen seines Jahreskongresses in
Leipzig forderte der Bundesverband Praktischer Tierärzte e. V. (BPT)
in seiner gestrigen Pressekonferenz wiederholt, dass Verordnungen zur
Abwehr von Gefahren durch gefährliche Hunde auf das individuell
gefährliche Tier abstellen müssen und keine Zwangsregelungen für
ganze Rassen beinhalten dürfen. Die einzig vernünftige Prävention
stellt eine bundeseinheitliche Verordnung für die Haltung und
Betreuung, die Zucht und Aufzucht, die Ausbildung und den Handel von
Hunden auf der Basis des Tierschutzgesetzes dar, um der Heranziehung
aggressiver Tiere entgegen zu wirken.

Die "Schnellschuss-Vorordnungen" haben Deutschland wiederholt
gespalten: Hundefreunde auf der einen Seite, Hundefeinde
andererseits, so Verbandspräsident Dr. Karlheinz Simon in seiner
Zusammenfassung zur aktuellen Situation. Die unterschiedlichen
Länderverordnungen mit ihren nicht eindeutigen Vorschriften haben zur
Diffamierung von Millionen unauffälliger Hunde und deren Halter, zum
Umsetzungschaos bei den ausführenden Behörden und darüber hinaus zu
"touristischen Hundegrenzen" innerhalb Deutschlands geführt. Simon
wies ausdrücklich auf das Vollzugsdefizit der Behörden hin, das
Vorfälle wie in Hamburg erst möglich gemacht hat.

"Die erlassenen Verordnungen kurieren nicht einmal die Symptome
und lösen das Problem nicht", betonte Vizepräsident Dr. Heinrich
Grußendorf. "Sie erfassen nicht die Wurzel des Geschehens." Im
Gegenteil, die Zwangsmaßnahmen verhindern die laut Tierschutzgesetz
zu gewährleistende artgemäße Haltung und berühren den Tatbestand
körperlichen Leidens (fehlende Bewegungsmöglichkeit, Behinderung der
Regulierung der Körpertemperatur durch Hecheln). "Sie sind
ethologisch kontraproduktiv, weil durch permanente Leinenführung
Sozialkontakt verhindert wird", erklärte die Tierärztin für
Verhaltenstherapie, Christiane Quandt. Fehlender Sozialkontakt und
Beschränkung des Bewegungsspielraumes sind aggressionsfördernde
Elemente. Ethologisch führt Bewegungsmangel zu einer sinkenden
Reizschwelle. Der Hund wird de facto aggressiver.

Deshalb fordert der BPT:
* die Abschaffung der Rasselisten
* die Aufhebung des generellen Leinenzwanges für Hunde ab einer
bestimmten Körpergröße/eines bestimmten Gewichtes
* eine Anzeigepflicht für auffällig gewordene Tiere
* einen standardisierter Wesenstest für auffällig gewordene Tiere
durch auf Verhaltenskunde spezialisierte Tierärzte
* einen Sachkundenachweis von Haltern auffällig gewordener Hunde
über Hundeverhalten, tierschutzrechtliche Vorschriften und
Tiergesundheit
* ggf. strenge, konsequente Reglementierung von Hunden, die als
gefährlich begutachtet wurden und deren Halter.

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es keine "gefährlichen
Hunderassen" - es gibt gefährliche Hundeindividuen. Gleichwohl zeigen
wissenschaftliche Untersuchungen, dass ungeeignete
Aufzuchtbedingungen in der Sozialisierungsphase zu mangelnder
Ausbildung bestimmter Gehirnbereiche mit der Folge von
Verhaltensstörungen der betroffenen Tiere führen, so die Vorsitzende
der Gesellschaft für Tierverhaltenstherapie (GTVT) Dr. Heidi
Bernauer-Münz. Aggression aus Unsicherheit aufgrund mangelnder
Sozialisation ist neben falscher Erziehung die Hauptursache für
Angriffe von Hunden auf Menschen.

Wirklich präventiv kann deshalb nur eine bundeseinheitliche
Hundezuchtverordnung wirken, schlussfolgerte Grußendorf. Von Seiten
des zuständigen Bundesministeriums wurde eine solche Regelung in Form
einer bundeseinheitlichen Tierschutz-Hundeverordnung vorgelegt.
Allerdings sind in dem vorgelegten Entwurf weitreichende Änderungen
und Ergänzungen notwendig, damit neben den Aspekten des Tierschutzes
auch die Gefahrenabwehr als wünschenswerter Nebeneffekt über diese
Verordnung erleichtert wird. In einer gemeinsamen Aktion hat der BPT
zusammen mit der Bundestierärztekammer, dem Bundesverband der
beamteten Tierärzte, dem Deutschen Tierschutzbund und dem Verband des
Deutschen Hundewesens diesbezüglich bereits im September an den
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie an die
für den Tierschutz zuständigen Minister und Senatoren der Länder
appelliert.
In die Verordnungen sollten nach Auffassung der Fachverbände auf
jeden Fall folgende Regelungen aufgenommen werden:

* Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle Hunde
* Haftpflichtversicherung für alle Hunde
* Sachkunde-Nachweis und Dokumentationspflicht für jeden Züchter
* Verbot von Massenzüchtungen
* standardisierter Wesenstest für alle Zuchthunde
* Sachkunde-Nachweis für Ausbilder
* Regelungen zum Vollzug
* Vorgaben zur medizinischen Versorgung

Darüber hinaus wären folgende Regelungen sinnvoll:
* Sachkunde-Nachweis aller Hundehalter bzw. aller künftigen
Hundehalter
* oder gestaffelte Tarife ("Bonussystem") in der
Haftpflichtversicherung ähnlich der Kfz-Versicherung
(Vergünstigungen für Halter, die einen Sachkunde-Nachweis
erbringen)
* Pflichtunterricht in Grundschulen (3./4. Klasse) über
Tierverhaltenskunde
 



 

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