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AHO Aktuell - 01.02.2001

Der Proteinfaltung auf der Spur


FRANKFURT. Eine Reihe von Krankheiten, die derzeit in der Diskussion
stehen, sind auf Fehlfunktionen nicht korrekt gefalteter Proteine
zurückzuführen. Dazu gehören zahlreiche Muskelkrankheiten, aber auch
Alzheimer, die Creutzfeld-Jakob-Krankheit, Scrapie und BSE. Die Ursachen
sind weitgehend unbekannt; man weiß jedoch, dass fehlgefaltete Proteine
(Prionen) unter anderem pathologisch wirken, indem sie zusammenklumpen
(aggregieren) und nicht mehr abgebaut werden können. Die Forschungs-
gruppen von Prof. Josef Wachtveitl und Prof. Werner Mäntele untersuchen
derzeit die Mechanismen der Proteinfaltung. Mit Hilfe spektroskopischer
Methoden versuchen sie, die Prozesse der Strukturbildung - den Übergang
vom ungeordneten Aminosäure-Knäuel zu einer geordneten Struktur - zu
charakterisieren und zu entschlüsseln. Damit leisten die Wissenschaftler
einen Beitrag zum Verständnis der komplexen Mechanismen, die zu einem
pathogenen Protein führen. In beiden Gruppen werden Modellsysteme und
kleine Proteine untersucht, um die Leistungsfähigkeit neuer Methoden
auszuloten und zu verbessern. Die bisherigen Ergebnisse sind
vielversprechend: Strukturmerkmale an Proteinen können identifiziert und
Strukturumwandlungen zeitlich verfolgt werden.

Denn der Ablauf grundlegender Prozesse der Proteinfaltung ist bisher
wenig bekannt. Die meisten Proteine falten korrekt in der erstaunlich
kurzen Zeit im Bereich von einer milliardstel (10-9 ) Sekunde bis zu
Sekunden. Daher nimmt man an, dass die Energielandschaft, die
Faltungswege und Geschwindigkeit bestimmt, relativ übersichtlich ist und
ein klares Optimum hat, das vom Protein "intuitiv gefunden" wird.
Passiert dies nicht, ist ein derartiges Protein in seiner Funktion
gestört, wenn nicht ganz unbrauchbar. Die Strukturbildung ist mit der
Entstehen einer Siedlung vergleichbar: relativ schnell stehen die ersten
Häuser, die sich allmählich zu Stadtteilen entwickeln und schließlich
die ganze Stadt bilden.
Die korrekte Strukturbildung ist die Voraussetzung dafür, dass die
Proteine ihre Funktionen fehlerfrei erfüllen können: Nach ihrer Bildung
aus einzelnen Aminosäuren müssen sie sich in eine präzise
dreidimensionale Struktur falten. Der Übergang von einer ungeordneten
Kette von Aminosäuren in eine - und nur eine ganz spezifische der
zahllosen Möglichkeiten, eine räumliche Anordnung einzunehmen, wird von
der energetischen Situation bestimmt.

Die Gruppe um Prof. Josef Wachtveitl vom Institut für Physikalische und
Theoretische Chemie setzt kurzzeit- spektroskopische Methoden ein, um
primäre Prozesse der Strukturbildung bei Proteinen zu untersuchen. Sie
laufen in der unvorstellbar kurzen Zeit von 10-12 bis 10-9 - einer
billionstel bis einer milliardstel Sekunde - ab. Unter Einsatz
neuartiger optischer Schalter können mit einem ultrakurzen Laserblitz
Strukturmotive ineinander umgewandelt werden; diese Strukturbildung wird
mit Laserlicht charakterisiert.

Prof. Werner Mäntele und Dr. Christian Zscherp vom Institut für
Biophysik arbeiten mit Temperaturänderungen, um die Faltungsprozesse zu
untersuchen. Mit infrarotem Messlicht wird die Bildung der
Strukturmotive wie einer
Helix oder eines Faltblattes verfolgt. Um die Entfaltung und Rückfaltung
von Proteinen auch zeitlich auflösen zu können, wurde am Institut für
Biophysik im Rahmen einer Physik-Diplomarbeit ein neuer Ansatz
erfolgreich erprobt. Tatiana Nazarova baute eine Apparatur auf, die es
ermöglicht, die Temperatur von Proteinproben mit einem
Infrarot-Laserblitz in wenigen milliardstel Sekunden um bis zu 20° zu
erhöhen. Durch diesen laserinduzierten Temperatursprung kann die
Entfaltung des Proteins sehr schnell gestartet werden. Mit abstimmbaren
Infrarot-Halbleiterlasern wird dann die Dynamik der Entfaltung und der
Rückfaltung verfolgt.

Kontakt: Prof. Dr. Josef Wachtveitl, Inst. für Physikalische und
Theoretische Chemie; Tel.: 069/798-29351; E-Mail:
wveitl@theochem.uni-frankfurt.de; Prof. Dr. Werner Mäntele, Inst. für
Biophysik; Tel.: 069/6301 5835; E-Mail:
maentele@biophysik.uni-frankfurt.de


Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main), 01.02.2001
 



 

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