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AHO Aktuell - 20.02.2001

Europäische Allianz gegen den kleinen Fuchsbandwurm


Aus dem Programm »Quality of Life and Management of Living Ressources«
wird die Europäische Kommission ein interdisziplinäres Projekt mit dem
Titel »Erkennung von Risikofaktoren und Entwicklung von Strategien zur
Prävention der Alveolären Echinokokkose« fördern. Sie entspricht damit
einem Antrag von Prof. Dr. Peter Kern, Leiter der Sektion Infektiologie
und Klinische Immunologie der Universität Ulm. Bewilligt wurden 1 Mio.
DM für 3 Jahre. An dem Forschungsprojekt beteiligen sich 15
Institutionen aus insgesamt 10 Ländern der Europäischen Gemeinschaft. In
Deutschland werden die Universitäten Ulm und Hohenheim, das
Robert-Koch-Institut, Berlin, und die Bundesforschungsanstalt für
Viruskrankheiten der Tiere, Wusterhausen, teilnehmen. Koordinator ist
Prof. Kern.

Die Alveoläre Echinokokkose wird durch das tumorartige Wachstum der
Larve des kleinen Fuchsbandwurms (Echinococcus multilocularis)
verursacht. Die Larve befällt für gewöhnlich die Leber, aber auch andere
innere Organe. Ohne Behandlung verläuft die Erkrankung meist tödlich.
Der Parasit wird in einem komplexen Zyklus von Nagetieren
(Zwischenwirten) auf Füchse, aber auch Hunde oder Katzen (Endwirte)
übertragen, die den erwachsenen Wurm im Darm beherbergen und dessen Eier
mit dem Kot ausscheiden. Der Mensch ist ein sogenannter
Fehl-Zwischenwirt.

Viele Regionen europäischer Länder sind seit einiger Zeit mit dem
Problem eines steigenden Infektionsdrucks durch den Fuchsbandwurm
konfrontiert. In Gebieten, wo der Parasit seit Jahrzehnten vorkommt,
sind die Befallsraten bei Füchsen, den Hauptüberträgern, innerhalb
weniger Jahre drastisch gestiegen. Darüber hinaus wurden auch in
Regionen, in denen der Parasit bisher nicht auftrat, infizierte
Wirtstiere gefunden. Andererseits konnte in verschiedenen Ländern
Europas (Britische Inseln, Italien, Skandinavien mit Ausnahme Dänemarks)
der Parasit bis heute nicht nachgewiesen werden, obwohl dort günstige
Bedingungen für seine Entwicklung vorliegen. Hierfür gibt es ebensowenig
eine Erklärung wie für die Tatsache, daß in Gebieten mit vergleichbaren
Befallsraten bei den Füchsen die Zahl der Erkrankungen beim Menschen
höchst unterschiedlich ist.

Mehrere Faktoren können hier eine Rolle spielen. Vorstellbar ist, daß im
natürlichen Zyklus innerhalb der Wildtiere (Übertragung des Parasiten
von den Nagetieren auf die Füchse) spezifische Umweltfaktoren die
Ausbreitung stören oder fördern. Was die Infektion des Menschen
betrifft, können unterschiedliche Verhaltensweisen bei Tätigkeiten in
der Natur oder im Umgang mit Haustieren die Infektionsgefahr
beeinflussen. Denkbar ist auch, daß sich bei dem Parasiten selbst
differente Stämme herausgebildet haben, die unterschiedlich pathogen
sind. Es bestehen also zur Zeit noch erhebliche Wissenslücken. Ziel des
Projektes ist es, in einem interdisziplinären Ansatz die Faktoren, die
die Ausbreitung des Parasiten begünstigen können, aus verschiedenen
Blickwinkeln, aber mit einheitlicher Methodik zu untersuchen. Im
einzelnen geht es um folgende Aspekte:

Risikofaktoren für eine Infektion des Menschen

Eine offene Frage ist nach wie vor, wie sich der Mensch überhaupt
infiziert. Daher wird eine großangelegte Fall-Kontroll-Studie unter
Teilnahme von mindestens 120 Patienten vorbereitet, in der häufige
Verhaltensweisen, der Besitz von Haustieren, Tätigkeiten in der
Landwirtschaft, Aufenthalte und Tätigkeiten im Freien, etc. abgefragt
werden. Parasitenmaterial soll daraufhin untersucht werden, ob sich
genetisch unterscheidbare Varianten mit unterschiedlicher Pathogenität
finden lassen.

Risikofaktoren für die Ausbreitung der Infektion im Wildtierzyklus
In allen 10 beteiligten Ländern werden in ausgewählten Regionen die
Befallsraten von Füchsen und Haustieren untersucht, wobei räumliche und
zeitliche Änderungen der Infektionshäufigkeit zu berücksichtigen sind.
Parallel dazu werden die Charakteristika der Landschaft - Geologie,
Landnutzung, ökologische Besonderheiten - mit modernsten Methoden
geographischer Informationssysteme (GIS) erhoben und analysiert und mit
den Infektionsraten der Wildtiere abgeglichen. Ziel ist unter anderem,
das potentielle Übertragungsrisiko der Echinokokkose auf bestimmten
Geländetypen zu quantifizieren.

Übertragungsrisiko in städtischer Umgebung

Eine Untersuchung der Ökologie der Stadtfüchse und der Übertragung von
E. multilocularis in Stadtgebieten ist überfällig. Speziell zu den
Fragen, welche Nagetierarten befallen sind, wo eine Übertragung
stattfinden könnte, wo Füchse und Menschen in Kontakt kommen u.a. ist
das Wissen noch sehr lückenhaft. Die Rolle von Haustieren (Hunden und
Katzen) im Lebenszyklus von E. multilocularis und das Risiko, das von
diesen Tieren für den Menschen ausgeht, sind hier ebenfalls zu erheben.

Methoden der Bekämpfung und Möglichkeiten der Aufklärung

Vorgesehen ist die Entwicklung von Bekämpfungsmaßnahmen, speziell auch
für Stadtgebiete. In ländlichen Gebieten ist das großflächige Auslegen
von Ködern, die Anthelminthika (Entwurmungsmittel) enthalten, bereits
länger in Erprobung und zeigt gute Erfolge. In den verschiedenen
europäischen Ländern wird zu untersuchen sein, welche Einstellungen die
Bevölkerung gegenüber der Erkrankung hat und welche relevanten
Verhaltensweisen üblich sind. Die Informationsvermittlung im Rahmen von
Aufklärungsmaßnahmen muß regional angepaßt werden. Die Bedeutung von
Präventionsstrategien ergibt sich aus der Tatsache, daß es keine Impfung
gegen die Erkrankung gibt und die Behandlungsmöglichkeiten
unbefriedigend sind.


Peter Pietschmann, Pressestelle der
Universität Ulm, Tel. 0731-50-22020, -22021

Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Universität Ulm, 20.02.2001
 



 

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