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AHO Aktuell - 24.04.2001

Die Strategien der Salmonellen


(idw) - An Triebkraft oder Anpassungsfähigkeit mangelt es den aggressiven
Kleinstlebewesen nicht: sie nisten sich in feindliche Immunzellen ein,
beginnen die Eroberung neuer Wirtszellen mit einer Eiweiß-Injektion und
tauschen untereinander höchstwahrscheinlich genetische Anleitungen aus,
die sie erst zu Krankheitserregern stempeln. Am Beispiel von Salmonellen
arbeitet ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Hensel am
Institut für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene seit
Herbst des Jahres 2000 daran, Strategien von bakteriellen
Krankheitserregern auf molekularer Ebene aufzudecken. Abwehrmaßnahmen
können dann darauf abgestimmt werden; die beweglichen Stäbchenbakterien
lassen sich sogar für den Schutz vor Erkrankungen nutzen.


Salmonellen sind eine Gruppe ausgesprochen erfolgreicher Erreger von
Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts bei Menschen und Tieren. Infektionen
mit Salmonellen führen meistens zu Durchfallerkrankungen, die einen
kurzen heftigen Verlauf zeigen, aber sehr oft ohne Therapie abklingen.
Doch Salmonellen können auch Typhus hervorrufen, eine schwere
Erkrankung, die den gesamten Organismus angreift. Der Erreger kann dabei
sowohl freilebend (extrazelluläre Lebensweise) als auch innerhalb von
Wirtszellen (intrazelluläre Lebensweise) gefunden werden.

Für die Gefahr, die von Bakterien und anderen Erregern für die
Gesundheit des Menschen ausgeht, werden die Begriffe "Virulenz" und
"Pathogenität" häufig gebraucht. Pathogenität bezeichnet prinzipiell die
Eigenschaft, krankhafte Zustände hervorzurufen, und wird auch für
chemische Substanzen und andere Umwelteinflüsse verwendet. Die Virulenz
("Giftigkeit") beschreibt quantitativ das Ausmaß der Aggressivität von
Mikroorganismen im Makroorganismus.

Salmonellen verfügen über ein umfangreiches Arsenal an Faktoren, die
über ihre krankheitserregende Wirkung und die Ansteckungsgefahr
entscheiden. Die sogenannten Virulenzfaktoren sind an der Entstehung der
Durchfallsymptomatik beteiligt und ermöglichen die Vermehrung der
Salmonellen in einem infizierten Organismus.

Bemerkenswert ist die Fähigkeit von Salmonellen, in Makrophagen zu
überleben und sich zu vermehren. Makrophagen sind Teile des
Immunsystems, große weiße Blutzellen, die eigentlich für die Vernichtung
eindringender Keime zuständig sind und deshalb zuweilen "Fresszellen"
genannt werden.

TTSS: Spritzen für den Angriff auf Zellen

Das besondere Interesse der Arbeitsgruppe gilt einem neu entdeckten
Virulenzmechanismus, durch den Salmonellen ihr intrazelluläres Schicksal
beeinflussen können. In ähnlicher Form finden sich solche Mechanismen in
einer großen Zahl von Erregern. Es handelt sich um komplexe molekulare
Maschinen, die es bakteriellen Erregern möglich machen, Proteine direkt
in eine andere Zelle zu injizieren. Daher werden sie auch als molekulare
"Spritzen" für Toxine bezeichnet.

In der Fachsprache heißen diese Mechanismen "Typ III-Sekretionssysteme"
(TTSS), was darauf hinweist, dass Proteine abgesondert werden. Die
Erlanger Mikrobiologen wollen die eingeschleusten Proteine
identifizieren, ihren Effekt auf die Wirtszelle untersuchen und die
molekularen Wechselwirkungen zwischen Erreger und Wirt nachvollziehen.

PAI: Inseln der schädlichen Gene

Bakterielle Krankheitserreger unterschieden sich von ihren gutartigen,
nicht-pathogenen Verwandten durch den Besitz von Virulenzgenen. Bei
vielen Erregern wurde beobachtet, dass solche Gene nicht im Erbgut
verstreut, sondern dicht gepackt auf einem Segment des Genoms zu finden
sind. Diese Segmente werden als Pathogenitätsinseln (PAI) bezeichnet.
Möglicherweise werden derartige "Gen-Pakete" zwischen verschiedenen
Bakterien weitergereicht. Ein solcher Austausch könnte eine Triebfeder
für die Evolution der bakteriellen Fähigkeit sein, Krankheiten
auszulösen.

Auch diejenigen Gene von Salmonellen, die den Befall von Wirtszellen
regeln, liegen konzentriert auf einem Abschnitt des Bakterien-Genoms.
Sie bilden die "Salmonella Pathogenitätsinsel 2" oder SPI2. An ihrem
Beispiel soll verfolgt werden, ob und wie solche Inseln in Salmonellen
weitergegeben und verbreitet werden, um die Evolution
gesundheitsgefährdender Eigenschaften in Bakterien besser zu verstehen.

Für den Impfschutz umkonstruiert

Am wirkungsvollsten verhindern Impfungen den Ausbruch bakteriell
verursachter Krankheiten, doch gibt es für zahlreiche wichtige
Infektionserkrankungen keine oder nur unzureichend wirksame Impfstoffe.
Daher wird versucht, durch molekularbiologische Modifikationen neue und
effiziente Substanzen zu konstruieren, die der Infektion vorbeugen. Eine
erfolgreiche, krankheitsvermeidende Impfung beruht darauf, dass der
Geimpfte geeignete Abwehrstoffe, wie Antikörper auf der Schleimhaut oder
im Blut, oder auch aktivierte T-Lymphozyten entwickelt. Diese sind in
der Lage, bestimmte für Krankheitserreger spezifische Stoffe (Antigene)
zu neutralisieren bzw. auch zu eliminieren.

Bei der Impfung gegen Infektionen durch andere Erreger können
Salmonellen nützlich sein, wenn sie als Träger von Antigenen dieser
anderen Erreger dienen. Beispielsweise können nicht-virulente und damit
unschädliche, gentechnisch modifizierte Salmonellen als Lebendimpfstoff
eingesetzt werden, um einen Schutz gegen andere bakterielle oder virale
Infektionserreger aufzubauen - etwa gegen Helicobacter pylori,
Bakterien, die zur Entstehung von Magen - und Zwölffingerdarmgeschwüren
beitragen, oder gegen Hepatitis-Viren. Voraussetzung dafür ist, dass die
Salmonellen ausreichend in der Virulenz abgeschwächt sind, jedoch noch
eine starke Abwehrreaktion des menschlichen Immunsystems hervorrufen
können.

Die Immunantwort kann noch verstärkt werden, wenn Lebendimpfstoffe in
hoher Zahl die als Antigene bekannten Auslöser enthalten. Um deren
Anteil zu erhöhen, ist es nötig, die genetischen Mechanismen zu kennen,
die ihre Produktion regeln. Untersuchungen der Arbeitsgruppe setzen
speziell bei Promotoren von Genen an, die von intrazellulären
Salmonellen aktiviert werden. Promotoren sind Erkennungs- und
Bindungsregionen für das Enzym RNA-Polymerase, ohne das keine Zelle
Eiweißstoffe nach dem genetisch vorgegebenen Bauplan herstellen könnte.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert Projekte der Arbeitsgruppe
zu allen drei Untersuchungsbereichen. Die gentechnische Abwandlung von
Salmonellen für den Einsatz in neue Impfstoffen wird zusätzlich durch
die Europäische Kommission unterstützt.

Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 24.04.2001
 



 

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