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AHO Aktuell - 27.04.2001

Der "Gemeine Holzbock" kann für Mensch und Tier gefährlich werden


(bgvv) - Der "Gemeine Holzbock" (Ixodes ricinus) hat es in sich. "Wenn die
Zecke mit dem entsprechenden Krankheitserreger infiziert ist, kann ein
Stich genügen, um die Lyme-Borreliose, die Frühsommer-Meningoenzephalitis
(FSME), die Ehrlichiose, das Q-Fieber oder die Babesiose auf Mensch und
Tier zu übertragen", so der Privatdozent, Dr. Jochen Süss, Leiter des
Nationalen Referenzlabors für zeckenübertragene Krankheiten am BgVV.
Deren gesundheitliche Bedeutung stand im Mittelpunkt des sechsten
internationalen "Potsdam Symposium on Tick-borne Diseases" das am 26. und
27. April in Berlin stattfand. Rund 150 Gäste aus 22 Staaten diskutierten
im Rahmen der BgVV-Veranstaltung Fragen der Epidemiologie, Ökologie,
Prophylaxe und Therapie.

In Deutschland erkranken in jedem Jahr 50.000-60.000 Menschen an Lyme-
Borreliose und weitere 150 bis 200 an FSME. Gegen die FSME steht eine
wirksame Impfung zur Verfügung, die das BgVV allen Personen empfiehlt,
die in Risikogebieten leben, sich beruflich oder während des Urlaubs
dort aufhalten. Der Impfstoff darf bei Kindern unter 12 Jahren nicht
angewendet werden, ein anderer Impfstoff ist in Deutschland für die
Anwendung bei Kindern derzeit nicht zugelassen. Eine Impfung gegen Lyme-
Borreliose gibt es bis heute nicht. Der Schutz vor Zeckenstichen durch
geeignete Kleidung oder wirksame Abwehrmittel bleibt deshalb, insbesondere
für Kinder, der wichtigste Infektionsschutz.

Die Lyme-Borreliose ist die am häufigsten vorkommende zeckenübertragene
Erkrankung des Menschen in Europa und den USA. In Deutschland sind 10-30
Prozent der Zecken mit dem Bakterium Borrelia burgdorferi infiziert.
Spezielle Risikogebiete gibt es nicht. Früh erkannt lässt sich die
Borreliose erfolgreich mit Hilfe von Antibiotika behandeln. Wird die
Infektion nicht erkannt, wird zu spät, unterdosiert oder zu kurz mit
Antibiotika behandelt, kann sich eine chronische Verlaufsform unter
Beteiligung des Nervensystems, der Gelenke und des Herzens entwickeln,
die schwer oder gar nicht heilbar ist. Eine prophylaktische Impfung, die
in den USA seit 2 ½ Jahren zur Verfügung steht, ist erfolgversprechend,
deckt das deutsche Erregerspektrum aber nicht ab. An einem in Deutschland
wirksamen Impfstoff wird derzeit gearbeitet. Er könnte in ca. zwei Jahren
zur prophylaktischen Anwendung zur Verfügung stehen.

Die FSME ist eine Virusinfektion, die Erkrankungen der Hirnhäute, des
Gehirns und Rückenmarks mit z.T. schweren Verläufen verursacht. Sie kommt
in zahlreichen europäischen Ländern, mit sehr unterschiedlichen
Infektionsrisiken, vor. Frei von FSME sind nur das Vereinigte Königreich,
die Iberische Halbinsel und die Beneluxstaaten. Weitgehend frei sind
Dänemark (Ausnahme: Bornholm), Italien (Ausnahme: Florenz), Griechenland
(Ausnahme: Theassaloniki) und Frankreich (Ausnahme: Elsass). In allen
anderen europäischen Ländern ist die FSME mehr oder weniger stark
verbreitet. Insbesondere in den baltischen Staaten, die als Hochrisiko-
gebiete gelten, steigen die Infektionsraten weiter an. In Deutschland
zählen ganz Baden-Württemberg und Bayern dazu. Bis zu fünf Prozent der
Zecken sind hier mit dem FSME-Virus infiziert. Geringere Risiken gibt
es im Bereich des Odenwalds und in Rheinland-Pfalz. FSME-gefährdet sind
insbesondere Bewohner von (Hoch)risikogebieten und alle Personen, die
während der Zeckensaison in solche Gebiete reisen, dort wandern, campen
oder sich wegen anderer Freizeitaktivitäten viel in der Natur aufhalten.
Rund 70 Prozent derjenigen, die von einer infizierten Zecke gestochen
werden, zeigen geringe oder gar keine Symptome. Bei ungefähr 30 Prozent
treten aber schwere Erkrankungen auf. Ein bis zwei Prozent dieser Menschen
sterben im Verlauf der Infektion. Eine kausale Therapie gibt es nicht, es
wird symptomatisch behandelt. Der Immunprophylaxe kommt deswegen besondere
Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund hielten es die Veranstaltungsteil-
nehmer für dringend erforderlich, dass auch in Deutschland so schnell wie
möglich wieder ein bei Kindern anwendbarer Impfstoff zur Verfügung steht.

Über Erfolge einer konsequenten Schutzimpfung berichteten die Teilnehmer
aus Österreich. Dort liegt die Durchimpfungsrate inzwischen bei über 90
Prozent. Die Zahl der FSME-Fälle konnte damit von über 1.000 auf weit
unter 100 gesenkt werden. Insbesondere die Impfung von Kindern hat sich
hier bewährt. Während früher bis zu 25 Prozent aller FSME-Fälle bei Kindern
unter 14 Jahren auftraten, sind es heute nur noch 4,5 Prozent.

Im Gegensatz zu Lyme-Borreliose und FSME ist die Bedeutung der ebenfalls
durch Zecken übertragenen Ehrlichiose, des Q-Fiebers und der Babesiose
noch weitgehend unbekannt. Die Ehrlichiose ist eine Multiorganerkrankung,
die in den meisten Fällen mild verläuft. Bei Untersuchungen in Baden-
Württemberg wurde der Erreger in rund drei Prozent der Zecken nachgewiesen;
5-15 % von 4.000 Waldarbeitern hatten Antikörper im Blut. Erkrankungen mit
Q-Fieber gehen mit hohem Fieber, starken Kopf- und Muskelschmerzen einher.
Die Infektion kann mit Antibiotika behandelt werden. Die bei Tieren
bekannte Babesiose gewinnt derzeit für den Menschen an Bedeutung. Der
Erreger (Babesia divergens) verursacht eine malariaähnliche Infektion,
die mit Fieber, Blutarmut, blutigem Urin und Gelbsucht einhergeht. Alle
bislang in Europa beschriebenen Fälle haben sich bei Menschen ereignet,
denen die Milz entfernt worden war und endeten nach Nierenversagen meist
tödlich.

Nicht nur für den Menschen, auch für Haustiere, wie z.B. Hunde und Pferde,
können Zecken als Krankheitsüberträger ein Risiko darstellen. Die ersten
Fälle einer zeckenübertragenen Erkrankung des Zentralen Nervensystems
durch das FSME-Virus oder durch Borrelia burgdorferi treten bei Hunden
häufig schon im Frühjahr auf. Die Fallzahlen erreichen im Juni und Juli
ihren Höhepunkt, gehen dann während der trockenen Sommermonate leicht
zurück und steigen zum Herbst erneut an. Die Tatsache, dass viele Menschen
ihre Haustiere mit in den Urlaub nehmen, trägt zur Verbreitung der
zeckenübertragenen Krankheiten bei. Frankreich, Deutschland und Schweden
gelten als neue Endemiegebiete für die zeckenübertragene Enzephalitis,
für die bis heute keine Impfung zur Verfügung steht. Die Behandlung der
Tiere erfolgt symptomatisch. Dagegen stehen in Deutschland für die
Prophylaxe der Lyme-Borreliose für Hunde Impfstoffe zur Verfügung, die
das Erregerspektrum aber nur unzureichend abdecken. Auf einen
(zusätzlichen) Schutz vor Zecken durch geeignete zeckenabwehrende
Mittel sollten Tierbesitzer deshalb nicht verzichten.

Grundsätzlich gilt, dass die Infektionswahrscheinlichkeit von Mensch
und Tier mit der Dauer des Zeckenstichs steigt. Zecken sollten deshalb
umgehend mit einer Pinzette entfernt werden. Die Drehrichtung ist egal.
Auf keinen Fall sollte man Wachs, Nagellack oder Ähnliches auf die Zecke
tupfen, weil sie darauf mit verstärktem Erregerausstoß reagieren kann.
Mit wenigen Ausnahmen sind viele Schutzmittel gegenüber Zecken entweder
unwirksam oder wirken nur für eine begrenzte Zeit. Den wirksamsten Schutz
vor Zeckenbissen stellt geeignete Kleidung dar (helle Sachen, auf denen
man die Zecken leicht sieht, lange Hosen, lange Ärmel), wenn man
Zeckenbiotope nicht völlig meiden will oder kann.

15/2001, 27. April 2001
 



 

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