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AHO Aktuell - 31.05.2001

Tanzsprache: Lügende Bienen enthüllen die Wahrheit


(idw) - Bienen, die eine neue Futterquelle entdecken, kehren in den Stock
zurück und führen dort eine Art Tanz auf. Dieser enthält im Prinzip alle
Informationen über die Lage der Futterstelle. Forscher von der
Universität Würzburg haben die tanzenden Insekten zum Lügen gebracht und
dabei Erkenntnisse gewonnen, die einen seit 50 Jahren andauernden
Wissenschaftsstreit beenden. Wie ihnen das gelang, ist in der jüngsten
Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" nachzulesen. Das weltweit
verbreitete Wissenschaftsblatt hält die Forschungsergebnisse aus
Würzburg offenbar für so spannend, dass es ihnen sein Titelbild gewidmet
hat.

Vor mehr als 50 Jahren entdeckte der Nobelpreisträger Karl von Frisch
die Tanzsprache der Honigbienen. Seitdem waren sich die Zoologen uneinig
darüber, ob die Bienen, die den Tanz beobachten, diese Nachricht
tatsächlich verstehen und nutzen können.

Die Lösung dieser Frage gestaltete sich problematisch, da alle Bienen
zusammen - sowohl die Tänzerin als auch ihre Nachtänzerinnen - die neuen
Futterplätze anfliegen. Damit war es unklar, ob die Neulinge nicht auch
alleine hingefunden hätten. Auch der Duft der Blüten hätte den Bienen
als alleinige Orientierungshilfe dienen können.

Dem Würzburger Bienenforscher Jürgen Tautz ist es gemeinsam mit einem
amerikanischen und zwei australischen Kollegen gelungen, diese Frage
endgültig zu klären. Der Durchbruch wurde möglich, weil die Forscher die
Bienentänzerinnen zum "Lügen" bringen konnten.

Dazu wendeten sie einen experimentellen Trick an: Sie ließen die
Sammelbienen durch einen schmalen und sechs Meter langen Tunnel zu einem
Futterplatz und von dort wieder zurück in den Stock fliegen. Die
Seitenwände des Tunnels trugen ein Muster, das die Bienen über die wahre
Entfernung, die sie geflogen waren, täuschte.

Mit einem solchen Tunnel wiesen die Forscher bereits vor etwa einem Jahr
nach, dass es die Bilder der an einer Biene vorbeigleitenden Landschaft
sind, der so genannte optische Fluss, der als Maß für die geflogene
Entfernung dient und im Stock in die Tanzbewegung übersetzt wird.
Fliegen die Bienen nur wenige Meter durch einen gemusterten Tunnel, dann
empfinden sie das so, als hätten sie einen Flug über mehrere hundert
Meter zurückgelegt und zeigen die Entfernung beim Tanz entsprechend
falsch an: Die Bienen "lügen" also.

Wohin zieht es aber die Neulinge, die auf eine "lügende" Tunnelbiene
hören, dann aber nicht durch den Tunnel, sondern durch die freie
Landschaft ausfliegen? Fliegen sie dorthin, wo auch die "Lügnerin"
hinfliegt, oder fliegen sie zu der Stelle, die ihnen im Tanz angegeben
wurde? Prof. Tautz: "Die Neulinge suchen an der Stelle, die im Tanz
angegeben wird. Dort ist weder die Tänzerin selbst jemals gewesen, noch
gibt es dort etwas zu sammeln. Die Neulinge werden alleine durch die
Tanzbotschaft zu dieser 'virtuellen Futterstelle' gelockt und befolgen
somit die falsche Tanzbotschaft exakt. Karl von Frisch hatte damals
recht."

Aber die Tanzbotschaft gilt nicht absolut, sondern ist sehr stark von
der Geographie des Fluggeländes und der genauen Flugrichtung abhängig.
Wird der Tunnel in derselben Landschaft in unterschiedliche
Himmelsrichtungen ausgerichtet, dann schicken die Tanzbienen ihre
Nachfolgerinnen auch in unterschiedliche Richtungen los. Allerdings
liegen die Entfernungen, in denen die Neulinge nach der virtuellen
Futterstelle suchen, um bis zum zweifachen auseinander. Eine Biene, die
nach Westen fliegt, sucht zum Beispiel bei 200 Metern, während eine nach
Norden gestartete Biene schon bei 100 Metern Entfernung nach dem Futter
Ausschau hält.

Jürgen Tautz erklärt: "Im Grunde gibt die Tanzbiene als Maß für den Weg
zum Futter nicht eine Entfernung, sondern eine Summe von Bildern an. Sie
sagt den Neulingen: 'Fliege nach Westen, bis du einen bestimmten
optischen Fluss abgearbeitet hast'. Darum sucht eine Biene, die über
eintönige Weizenfelder fliegt, in viel weiterer Entfernung als ihre
Genossin, die sich über einer abwechslungsreicheren Landschaft bewegt -
und das, obwohl beide ihre Informationen von derselben Tänzerin bekommen
haben."

Diese Versuche wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der
Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur mitfinanziert.

Titel des Artikels: H. Esch, S. Zhang. M. Srinivasan und J. Tautz:
"Honeybee Dances Communicate Distance by Optic Flow"

Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 31.05.2001
 



 

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