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AHO Aktuell - 30.08.2001

Verfassungsgerichtshof bestätigt VO über gefährliche Hunde


Koblenz (aho) - Die rheinland-pfälzische Gefahrenabwehrverordnung über
gefährliche Hunde vom 30. Juni 2000 ist mit der Landesverfassung vereinbar.
So entschied jetzt der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die Verordnung unterwirft das Halten gefährlicher Hunde sowie den Umgang
mit ihnen strengeren Anforderungen als bisher. So wird ein Erlaubnisvorbehalt
mit Sachkunde- und Zuverlässigkeitsnachweis eingeführt. Gefährliche Hunde
müssen gekennzeichnet werden. Außerhalb des befriedeten Besitztums besteht
Anlein- und Maulkorbzwang. Darüber hinaus werden die Zucht und die Vermehrung
dieser Tiere und der Handel mit ihnen verboten. Gefährliche Hunde im Sinne
der Verordnung sind einmal solche Hunde, die auffällig geworden sind. Darüber
hinaus gelten sämtliche "Hunde der Rassen Pit Bull Terrier, American
Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier sowie Hunde, die von einer
dieser Rassen abstammen", als gefährlich.

Die Beschwerdeführer sind Halter bzw. Züchter von Hunden der zuletzt genannten
Rassen. Nach ihrer Auffassung gibt es keinen sachlichen Grund, den Anwendungs-
bereich der Gefahrenabwehrverordnung auf alle Hunde dieser drei Rassen auszu-
dehnen. Sachgerecht sei es allein, die Gefährlichkeit des einzelnen Hundes zu
beurteilen. Die "Rasseliste" sei nur wegen einer unseriösen Hetzkampagne der
Medien zustande gekommen. Im Übrigen bemängelten die Beschwerdeführer, dass
andere ebenso gefährliche oder gar gefährlichere Hunderassen, vor allem der
Schäferhund, nicht in die Liste aufgenommen worden seien.

Der Verfassungsgerichtshof folgte dieser Argumentation nicht, sondern wies
die Verfassungsbeschwerden zurück.

Die Gefahrenabwehrverordnung diene dem Ziel, die Bevölkerung besser als bisher
vor den von Hunden ausgehenden Gefahren für Leib und Leben zu schützen. "Der
Verordnungsgeber handelt damit in Erfüllung der ihm durch die Verfassung selbst
auferlegten Pflicht, sich schützend und fördernd vor diese höchsten Rechtsgüter
zu stellen", betonten die Verfassungsrichter. Dem für die Verordnung zustän-
digen Innenminister komme sowohl bei der Beurteilung, ob eine besondere
Gefahrenlage vorliege, als auch bei der Wahl des geeigneten Mittels ein "weiter
Einschätzungsund Entscheidungsvorrang zu". Der Verfassungsgerichtshof habe
deshalb nicht zu überprüfen, ob der Innenminister die bestmögliche oder
gerechteste Lösung gefunden habe. Er habe lediglich darüber zu wachen, ob der
Minister die von der Verfassung gesetzten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit
beachtet habe. Nach diesem Maßstab sei die beanstandete Regelung verfassungs-
gemäß.

So habe der Verordnungsgeber nach Auswertung des fachwissenschaftlichen
Schrifttums davon ausgehen dürfen, dass von Hunden der drei besonders
aufgeführten Rassen eine im Verhältnis zum Durchschnitt der übrigen Hunde
gesteigerte Gefahr ausgehe. Dabei habe er nicht verkannt, dass innerhalb der
Fachwissenschaft die Bedeutung der Rasseanlagen eines Hundes für dessen
gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit unterschiedlich beurteilt wird.
Auch sei nicht jeder Hund jener Rassen konkret gefährlich. Ob ein Hund
aggressiv sei, hänge auch von den Bedingungen ab, unter denen das Trier
aufgezogen und gehalten werde. Gleichwohl gingen alle Sachverständigen davon
aus, dass die Angehörigen verschiedener Hunderassen genetisch bedingte
Unterschiede in ihrem Verhalten aufwiesen. Ein gesteigertes Aggressions-
potential werde gerade auch den drei Rassen Pit Bull Terrier, American
Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier zugeschrieben.

Insoweit habe der rheinland-pfälzische Innenminister nachvollziehbar auf
die Zuchtgeschichte dieser drei Rassen verwiesen. Sie gingen nämlich zurück
auf Kreuzungen englischer Hunderassen, die in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts ausschließlich für den Kampf Hund gegen Hund gezüchtet worden
seien. Dabei sei die Zuchtauswahl auf anhaltenden Kampfwillen bis zur
Erschöpfung auch bei schwerer körperlicher Verletzung ausgerichtet gewesen.
Vor diesem Hintergrund habe der Innenminister denjenigen Stimmen des
fachwissenschaftlichen Schrifttums folgen dürfen, die gerade bei den drei
genannten Hunderassen ein übersteigertes Angriffs- und Kampfverhalten
festgestellt hätten.

Diese fachwissenschaftlichen Stellungnahmen würden auch durch statistisches
Material unterstützt. Wohl seien Schäferhunde an den registrierten Beißvor-
fällen zahlenmäßig stärker beteiligt als die drei hier umstrittenen Rassen.
Doch habe der Innenminister zu Recht auf das Verhältnis dieser Zahlen zum
Gesamtaufkommen der einzelnen Hunderassen abgestellt. Dann aber ergebe sich
eine deutlich überproportionale Auffallenshäufigkeit von Hunden jener drei
Rassen. Freilich müsse der Verordnungsgeber die Entwicklung "weiter beob-
achten". Sollte sich durch entsprechende Erfahrungen die besondere Aggressivi-
tät weiterer Rassen herausstellen oder sollten sich insgesamt neue Erkenntnisse
zur Gefahrenlage ergeben, müsse er die Verordnung anpassen.

Den Einwand der Beschwerdeführer, Hunde der drei Rassen dürften jedenfalls
dann nicht als gefährlich gelten, wenn ihre individuelle Ungefährlichkeit
durch einen Wesenstest nachgewiesen sei, ließen die Verfassungsrichter nicht
gelten. Die potentielle Gefährlichkeit eines Hundes zu beurteilen, sei nach
fachwissenschaftlicher Einschätzung äußerst schwierig bis unmöglich. Auch sei
eine Wesensprüfung stets nur eine Momentaufnahme, so dass das Prüfungsergebnis
immer mit einem Restrisiko behaftet bleibe. Dies belegten nicht zuletzt
verschiedene Presseveröffentlichungen über Beißattacken solcher Hunde, die
zuvor eine Wesensprüfung bestanden hätten. Die Entscheidung des Verordnungs-
gebers, sich auf Wesenstests nicht zu
verlassen, sei deshalb rechtlich hinzunehmen.

Verfassungsgemäß sind nach Auffassung der Richter auch die einzelnen
Regelungen über den Umgang mit gefährlichen Hunden. Die Pflicht zur Kenn-
zeichnung des Hundes mittels eines elektronisch lesbaren Chips ermögliche
eine bessere Kontrolle und stelle für Halter und Hund keine übermäßige
Belastung dar. Der Anlein- und Maulkorbzwang diene einer effektiven Abwehr
der von den Hunden ausgehenden Gefahren. Den Haltern müsse zugemutet werden,
innerhalb des befriedeten Besitztums oder auf Hundesportplätzen für freie
Bewegung ihrer Hunde zu sorgen. Legitim sei schließlich auch das Ziel des
Verordnungsgebers, den Bestand an gefährlichen Hunden in Rheinland-Pfalz
zurückzudrängen. Die Regelungen über den Erlaubnisvorbehalt mit Fachkunde-
und Zuverlässigkeitsnachweis und über Zucht-, Vermehrungs- und Handelsverbote
seien deshalb ebenfalls nicht zu
beanstanden.

Aktenzeichen: VGH B 12/00, VGH B 18/00, VGB B 8/01

Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Pressemeldung Nr. 2/2001 vom 30.08.2001 Pressemitteilung
 



 

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