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AHO Aktuell - 04.07.2002

BVG: Niedersächsische Gefahrtierverordnung für nichtig erklärt


Berlin - In der niedersächsischen Verordnung über das Halten gefährlicher
Tiere werden zwei Kategorien von Hunden unterschieden. Das Halten, die
Zucht und die Vermehrung der ersten Kategorie von Hunden, zu denen Bullterrier,
American Staffordshire Terrier und Pit Bull Terrier sowie Kreuzungen dieser
Hunde gehören, ist verboten. Für vorhandene Hunde wird eine Ausnahme-
genehmigung erteilt, wenn der Hund einen Wesenstest bestanden hat, die Haltung
sicher ist und der Halter über die persönliche Eignung und die notwendige
Sachkunde verfügt. Hunde, die den Wesenstest wegen eines außergewöhnlichen
Aggressionspotenzials nicht bestehen, müssen getötet werden. Das Bestehen
des Wesenstests führt zu näher bestimmten Anforderungen an die Haltung und
Führung des Hundes; außerdem ist er unfruchtbar zu machen. Die in einer
Liste aufgeführten Hunde der zweiten Kategorie, zu denen auch Dobermann und
Rottweiler, nicht aber etwa der Deutsche Schäferhund zählen, müssen außerhalb
von Privatwohnungen und ausbruchsicheren Grundstücken mit Maulkorb versehen
und angeleint sein. Nach bestandenem Wesenstest können davon Ausnahmen
genehmigt werden.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat auf Normenkontrollanträge von
Hundehaltern hin mehrere Regelungen verworfen. Es hat insbesondere das
Haltungsverbot von Hunden der ersten Kategorie zum Zweck der Gefahrenabwehr
nicht für erforderlich gehalten und in den Regelungen für die Hunde der
zweiten Kategorie einen Gleichheitsverstoß insoweit gesehen, als Rottweiler
und Dobermann, nicht aber der Deutsche Schäferhund erfasst sind.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidungen des Oberverwaltungs-
gerichts im Ergebnis bestätigt und die grundlegenden Regelungen der
angegriffenen Verordnung für nichtig erklärt. Der Verordnungsgeber war
ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den Landesgesetzgeber nicht befugt,
in der geschehenen Weise allein an die Zugehörigkeit von Hunden zu
bestimmten Rassen anzuknüpfen. Nach den vorliegenden Feststellungen
besteht für bestimmte Rassen derzeit zwar der Verdacht, dass von ihnen
erhöhte Gefahren ausgehen. Es ist jedoch in der Wissenschaft umstritten,
welche Bedeutung diesem Faktor neben zahlreichen anderen Ursachen -
Erziehung und Ausbildung des Hundes, Sachkunde und Eignung des Halters
sowie situative Einflüsse - für die Auslösung von aggressivem Verhalten
zukommt. Ein bloßer Gefahrenverdacht rechtfertigt kein Einschreiten der
Sicherheitsbehörden in Form einer Rechtsverordnung auf der Grundlage der
polizeilichen Generalermächtigung. Vielmehr müssen Eingriffe der
staatlichen Verwaltung in die Freiheitssphäre - hier der Hundehalter -
zum Zweck der Gefahrenvorsorge nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in
einem besonderen Gesetz vorgesehen sein. Es ist Sache des Landesparlaments,
den Eigenarten der Materie entsprechend und unter Abwägung der wider-
streitenden Interessen der betroffenen Bevölkerungskreise die
erforderlichen Rechtsgrundlagen für eine Gefahrenvorsorge zu schaffen,
d.h. ggfs. die Einführung von Rasselisten selbst zu verantworten. Ein
derartiges Gesetz liegt in Niedersachsen nicht vor.

Trotz der Nichtigerklärung bleibt der notwendige Schutz der Bevölkerung
vor den von Hunden ausgehenden Gefahren in Anbetracht der vorhandenen
Mittel vor allem des Strafrechts und des allgemeinen Sicherheitsrechts
gewahrt. Die Befugnis der Landesgesetzgebung, einen weiter gehenden
Schutz im Sinne einer Gefahrenvorsorge zu betreiben, wird durch die
vorliegenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht berührt.

Auf die im Hinblick auf den Gleichheitssatz gewichtigen Bedenken dagegen,
dass der Verordnungsgeber es unterlassen hat, seine Regelungen namentlich
auf den Deutschen Schäferhund zu erstrecken, kam es für die
Revisionsentscheidungen nach dem Gesagten nicht mehr an.

BVerwG 6 CN 5.01, 6.01, 7.01, 8.01 - Urteile vom 3. Juli 2002
 



 

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