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AHO Aktuell - 08.10.2002

Dem Fuchsbandwurm auf der Spur


Würzburg (idw) - Achtung: Fuchsbandwurmgefahr! So ist es häufig auf
Schildern im Wald zu lesen. Diese Warnung sollte man beherzigen. Zwar
kommt die durch den Fuchsbandwurm ausgelöste Erkrankung sehr
selten vor, dafür ist sie aber nur schwer therapierbar und endet in der
Regel mit dem Tod. Wissenschaftler der Uni Würzburg haben es sich nun
zum Ziel gesetzt, mehr über den Parasiten und seine Beziehung zum
Wirt in Erfahrung zu bringen und neue Ansatzpunkte für eine verbesserte
Behandlung zu finden.

Obwohl derzeit etwa eine Milliarde Menschen weltweit an Wurmerkrankungen
leiden, zählen Band-, Saug- und Fadenwürmer aus molekularbiologischer
Sicht zu den am wenigsten erforschten Erregern. Woran das liegt? "Der
Hauptgrund dafür ist, dass Wurmparasiten nur sehr schwer im Labor
kultiviert werden können", so Dr. Klaus Brehm vom Institut für Hygiene
und Mikrobiologie der Uni Würzburg.

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat sich die Arbeitsgruppe von Dr. Brehm
und Institutsvorstand Prof. Dr. Matthias Frosch einen der gefährlichsten
Vertreter dieser Parasiten, den Fuchsbandwurm, als Modellsystem
ausgesucht. 1996 ist es den Forschern erstmals gelungen, die
Bandwurmlarven, die sich normalerweise in der Leber des Wirts verbergen,
im Reagenzglas heranwachsen zu lassen. Jetzt können die Wissenschaftler
die Wirkungsweise von Therapeutika auf den Bandwurm direkt studieren,
ohne dass hierfür, wie bislang, Tierversuche nötig sind. Dieser
Forschungsansatz erlaubt es auch, die Gene und Proteine des Parasiten zu
untersuchen.

Dr. Brehm: "Erste Analysen haben gezeigt, dass Bandwürmer dem Menschen
auf molekularer Ebene sehr viel ähnlicher sind als man landläufig
glauben mag." Für die Entwicklung von Medikamenten ist diese
Verwandtschaft von Nachteil: Es lassen sich nur sehr schwer Stoffe
finden, die einerseits den Bandwurm nachhaltig schädigen, andererseits
die Zellen des Menschen verschonen. Darum analysieren die Würzburger
Forscher nun die Gene des Parasiten und vergleichen sie mit denen des
Menschen. Sie wollen Besonderheiten in der Zellbiologie des
Fuchsbandwurms finden, die sich als Angriffspunkte für neue Arzneistoffe
eignen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert dieses Projekt.

Wie der Parasit mit den Zellen des Wirts in Wechselwirkung tritt, wie er
sich in dessen Körper zurechtfindet und wie er das Immunsystem umgeht,
sind weitere Fragen, die in Würzburg bearbeitet werden. Auch hier könnte
sich die relativ enge Verwandtschaft zwischen Bandwurm und Mensch als
Schlüssel zum Verständnis erweisen: Die Analysen haben bereits ergeben,
dass der Fuchsbandwurm eine ganze Reihe von Oberflächenrezeptoren und
Hormonen bildet, die denjenigen des Menschen sehr ähnlich sind. "Dies
könnte bedeuten, dass die Zellen des Bandwurms die Sprache unserer
eigenen Zellen verstehen und auch selbst sprechen", wie Dr. Brehm
erläutert.

Das würde erklären, warum die Larve eines Fuchsbandwurms 30 bis 40 Jahre
lang unbehelligt im Körper des Menschen heranwachsen kann - wie ein
zusätzliches Organ, das den Wirt letzten Endes aber umbringt. Der
Parasit könnte beispielsweise in Form von Hormonen gezielte
Falschmeldungen aussenden, die eine effektive Immunantwort des Wirts
verhindern. Weiterhin könnten es Wachstumshormone des Wirts sein, die
dem Bandwurm den direkten Befehl zur Entwicklung geben.

Solche Beziehungen zwischen Wurmparasiten und Säugetieren werden laut
Klaus Brehm schon seit einiger Zeit diskutiert. Nachgewiesen wurden sie
bisher aber noch nie. "Sollte sich durch unsere Arbeiten ein derartiger
Zusammenhang zeigen lassen, würde dies ein neues Kapitel im Studium der
komplexen Wechselwirkungen zwischen Krankheitserregern und dem Menschen
öffnen, denn diese Infektionsmechanismen würden sich grundlegend von
denen unterscheiden, die von Bakterien, Pilzen oder parasitischen
Einzellern bekannt sind."




 



 

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