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AHO Aktuell - 11.06.2003

Verlassene oder verletzte Wildvögel - Was tun?


(idw) - Jetzt beginnt sie wieder, die Zeit der Nestlinge. Die Vogeleltern
haben alle Hände voll zu tun, um die vielen hungrigen Mäuler zu stopfen.
Häufig finden Spaziergänger, einen, wie sie meinen, verlassenen kleinen
Vogel, der in Wirklichkeit gar nicht verlassen ist.

Die Elterntiere, die sich noch um ihr Junges kümmern, können z. B. durch
den Menschen aufgeschreckt worden sein, oder sie suchen gerade Futter.
Deshalb werden sie häufig von Spaziergängern aufgehoben und zur Pflege
mitgenommen. Prof. Dr. Maria-E. Krautwald-Junghanns, Leiterin der
Poliklinik für Vögel und Reptilien an der Veterinärmedizinischen
Fakultät der Universität Leipzig, warnt dringend davor, die Vögel in
bester Absicht einfach mitzunehmen.

Vor dem Mitnehmen beobachten

"Nestlinge sind selten Opfer von Unfällen. Manche junge Greifvögel
verlassen das Nest, bevor das Großgefieder ausgewachsen ist, d. h. sie
sind noch nicht flugfähig (sogenannte Ästlinge) Auch wenn sie einen
recht hilflosen Eindruck machen und eine leichte Beute von Katzen zu
sein scheinen, sollte man sie nicht anrühren, denn Ästlinge werden oft
noch mehrere Tage von den Eltern auf dem Boden gefüttert.", erklärt
Prof. Krautwald-Junghanns die Situation. "Es ist wichtig, diese Tiere
nicht zu stören, sondern zunächst über einen längeren Zeitraum zu
beobachten, ob die Eltern zurückkommen und ob sie in der Umgebung
zurechtkommen.", Wer die kleinen Vögel bereits mitgenommen hat, sollte
sie zurückbringen und auf einer erhöhten Stelle in unmittelbarer Nähe
des Fundortes aussetzen. Nur wenn die Jungtiere verletzt sind oder sich
kalt anfühlen, kann man davon ausgehen, dass das Nest schon längere Zeit
verlassen ist.

Ist eine Aufnahme von Nestlingen der einheimischen Singvögel
unumgänglich, muss man sich im klaren darüber sein, dass die Aufzucht
viel Arbeit und Sachkenntnis erfordert, und die Gefahr einer
Menschenprägung groß ist. Viele Vögel benötigen z.B. spezielles Futter,
damit es nicht zu Mangelerscheinungen kommt und müssen auch entsprechend
ihrem Lebensraum bei geeigneten Temperaturen und Lichtverhältnissen
gehalten werden. Im Zweifelsfalle sollte der Vogel an dafür zuständige
Fachleute weitervermittelt werden. Bei Greifvögeln und Eulenjungen ist
eine Aufzucht durch Privatpersonen nicht nur verboten, sondern auch
unsinnig, da der Laie kaum eine artgerechte Aufzucht mit Vermeidung
einer Menschenprägung garantieren kann. Diese Vögel muss man am besten
in die richtige Obhut - des zuständigen Försters - geben.
Ansprechpartner für Wildvögel sind prinzipiell: die oberen und unteren
Naturschutzbehörden, der Deutsche Bund für Vogelschutz und die
staatlichen Vogelschutzwarten, bei denen man auch Merkblätter erhält.

Der Tierarzt als richtige Anlaufstelle für Wildvögel

Immer wieder werden wildlebende Vögel gefunden, die aus
unterschiedlichsten Gründen nicht flugfähig sind. Fast immer sind die
Finder aufmerksam und versuchen, den Tieren zu helfen und sie nicht
einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Allerdings herrscht über die
Bedürfnisse dieser Vögel und die Art, wie man mit ihnen umgehen und sie
zum Transport unterbringen sollte, oft Unklarheit. Auch die gesetzlichen
Regelungen, die beim Umgang mit Wildvögeln zu beachten sind, sind den
meisten Menschen nicht bekannt. Dies kann sich trotz aller
Hilfsbereitschaft nicht zuletzt zum Nachteil der Vögel auswirken. Findet
man einen hilfebedürftigen Vogel, ist es sinnvoll, sich an seinen
Tierarzt oder an spezialisierte Einrichtungen zu wenden, die oftmals
auch die Betreuung dieser Wildvögel kostenfrei übernehmen.

Bei Auffinden von verletzten Wildvögeln sollte man in jedem Fall zum
Tierarzt gehen. Dieser kann die Tiere auf Verletzungen und den
Allgemeinzustand untersuchen und auch eine Prognose für die Flug- und
damit Überlebensfähigkeit des Vogels stellen.

Oft ist es nicht einfach, die Tiere einzufangen und zu transportieren.
Das Einfangen sollte möglichst stressfrei erfolgen - Wildvögel sind es
nicht gewohnt, mit der Hand gegriffen zu werden! Manchmal kann eine
Decke oder eine leichte Jacke helfen, die man über den Vogel werfen
kann. Zum Transport ist es am sinnvollsten, die Tiere in einem
Pappkarton dunkel unterzubringen, da sie so weniger gestresst werden.
Keinesfalls sollte man Wildvögel in handelsübliche Papageienkäfige
sperren. Durch Panikreaktionen kann es hier im schlimmsten Fall zu
Knochenbrüchen kommen; außerdem werden die Federn an den Stangen oft
abgestoßen und abgebrochen, was eine Wiederauswilderung verzögern oder
sogar unmöglich machen kann.

Bei offensichtlichen Brüchen und herabhängendem Flügel kann dieser für
den Transport zum Tierarzt festgebunden werden, um dem Vogel möglichst
wenig Schmerzen zu verursachen. Dafür darf aber nur Kreppband verwendet
werden, mit dem der Flügel nicht zu fest am Körper fixiert wird, um die
Atmung nicht zu erschweren. Gewebeklebeband verklebt oft so fest mit den
Federn, dass es nicht mehr ohne Schaden entfernt werden kann.

Greifvögel gehören in die Hände von Fachleuten

Nach der tierärztlichen Versorgung müssen insbesondere Greifvögel
möglichst schnell in die Hände von Fachleuten abgegeben werden. In
geeigneten Pflegestationen kann bei diesen Vögeln für eine adäquate
Haltung in abgeschirmten Volieren ohne Außeneinsicht, eine adäquate
Fütterung und später für fachkundige Auswilderung gesorgt werden. Eine
Ausnahme sind akute Unfälle, z. B. wenn ein Vogel gegen ein Fenster
geflogen ist und keine schwerwiegenden Verletzungen aufweist. Hier ist
es oft nach entsprechender Schockbehandlung bereits am nächsten Tag
möglich, den Vogel in der Nähe des Fundortes wieder auszusetzen.

Übrigens: Sollte man kranke oder verletzte Wildvögel in der Natur
beobachten, aber keine Möglichkeit haben, sie einzufangen, so kann auch
die Feuerwehr informiert werden. Die Feuerwehr der Stadt Leipzig
beispielsweise unterhält eine eigene Tierrettung, die auch für das
Einfangen verletzter Tiere ausgerüstet ist. Die Tierrettung bringt
Vögel, die tierärztliche Hilfe brauchen, dann in die Poliklinik für
Vögel und Reptilien der Universität. Die Stadt Leipzig unterstützt die
tiermedizinische Versorgung und die adäquate Unterbringung der
Fundvögel, für den Finder ist die Behandlung kostenfrei.

Die Poliklinik für Vögel und Reptilien der Universität Leipzig
untersucht jedes Jahr mehrere Hundert Wildvögel, die von Findern aus der
Umgebung gebracht werden. An erster Stelle stehen Tauben und
Mauersegler, auch Greifvögel wie der Mäusebussard und Amseln werden
häufig gefunden. Diese Verteilung entspricht nicht unbedingt der
Häufigkeitsverteilung der Vögel in der Natur, sondern erklärt sich unter
anderem daraus, dass größere Vögel eher gefunden und zum Tierarzt
gebracht werden. Außerdem sind manche Vögel "anfälliger" für Unfälle als
andere. So halten sich Mäusebussarde oft in Straßennähe auf, um sich von
im Straßenverkehr getöteten Tieren zu ernähren. Dadurch werden sie aber
schnell selbst zu Verkehrsopfern.

Was Tauben betrifft, so spielen zwar Fragen wie die durch Wildtauben in
Städten verursachten Schäden und die regionale Bekämpfung dieser Tiere
sicherlich aus gesellschaftlicher Sicht eine Rolle. Dennoch kann es
nicht im Sinne des Tierschutzgedankens sein, solchen Tieren nicht zu
helfen, wenn sie verletzt sind.

Die Entscheidung, wie man einem verletzten Wildvogel am besten helfen
kann, kann aber nur mit der nötigen Sachkenntnis von einem Tierarzt
getroffen werden, ebenso die Entscheidung, einen Vogel von seinen Leiden
zu erlösen. Dieser schwere Entschluss ist oft nicht leicht einzusehen,
insbesondere, wenn der Finder bereit ist, den gefundenen Vogel zu
pflegen und unterzubringen. Dennoch ist es gesetzlich (s.u.) eindeutig
vorgeschrieben, dass Wildvögel nicht ohne Genehmigung dauerhaft in
Privathand gehalten werden dürfen und eingeschläfert werden müssen, wenn
ein Weiterleben in der Natur nicht möglich ist. Wer Vögel in der freien
Natur beobachtet, dem wird auch schnell einsichtig, dass es keinen Sinn
macht, ihnen die Freiheit zu nehmen und sie stattdessen in Käfigen oder
Volieren zu halten.

Eindeutige gesetzliche Regelungen

Es gibt eine ganze Reihe von internationalen wie nationalen Gesetzen zum
Umgang mit Wildtieren. Der Sinn dieser Regelungen besteht im Schutz
wildlebender Tierarten und darin, die Entnahme von Wildtieren aus der
freien Natur so weitest möglichst zu verhindern. Die Europäische Union
regelt über Richtlinien zur Erhaltung wildlebender europäischer
Vogelarten den Schutz der Wildvogelpopulation in Europa. Auf nationaler
Ebene gibt das Bundesnaturschutzgesetz die Mindestanforderungen für den
Schutz der Natur und der Wildtiere fest. Die genauere Regelung wird dann
von Verordnungen auf Landesebene vorgenommen. Die
Bundesartenschutzverordnung regelt auf nationaler Ebene den Handel und
den Besitz geschützter Arten. Zusätzlich spielen das Bundesjagdgesetz
und natürlich das Tierschutzgesetz eine Rolle. Häufig nehmen die Finder
eines Wildvogels das verletzte Tier in bester Absicht auf und erwägen,
es als Heimtier in der Wohnung zu halten (insbesondere dann, wenn die
Tiere nicht mehr flugfähig sind). Dies ist vom Gesetzgeber klar
verboten. Das Aufnehmen verletzter oder kranker Tiere der geschützten
Arten ist nur zu dem Zweck gestattet, diese gesund zu pflegen. Danach
müssen die Vögel wieder in Freiheit gesetzt werden.

Die Aufnahme von freilebenden Vögeln der besonders geschützten Arten ist
der Naturschutzbehörde zu melden; auch Tiere, die nicht mehr in die
Freiheit entlassen werden können, müssen gemeldet werden. Auf Dauer
flug- oder nahrungserwerbsunfähige Vögel oder solche, die stark auf
Menschen geprägt sind, können nicht mehr ausgesetzt werden. Hier muss
entschieden werden, ob es möglich ist, den Vögeln ein artgerechtes
Weiterleben (z. B. in Tierparks) zu ermöglichen. Übrigens fallen auch
tote Vögel unter das Bundesnaturschutzgesetz, d. h. wer einen toten
Vogel der besonders geschützten Arten ausstopfen lassen will, muss dies
der Naturschutzbehörde melden und braucht eine Genehmigung dafür.

Informationsdienst Wissenschaft - idw - - Pressemitteilung
Universität Leipzig, 11.06.2003


 



 

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