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AHO Aktuell - 20.01.2005

Was tun, wenn man einen verletzten Greifvogel findet?


(idw) - Ein verwundeter Falke, Bussard oder Adler sollte nicht privat
gepflegt werden, bevor er wieder in der freien Natur ausgesetzt wird.
Das ist zwar gut gemeint, doch für das Tier nicht unbedingt die beste
Lösung. Denn meistens ist der Vogel nur scheinbar geheilt. Dr. Michael
Lierz, Fachtierarzt für Geflügel und Ziervögel an der Freien
Universität Berlin, hat sich mit der Genesung und Wiederauswilderung
verletzter und geschwächter Greifvögel befasst und weiß, welche
Therapiemaßnahmen am erfolgreichsten sind. Die Diagnostik eines
fachkundigen Tierarztes und das anschließende Training durch
ausgebildetes Pflegepersonal ist die Voraussetzung für eine
erfolgreiche Auswilderung.

Eine erfolgreiche Wiederauswilderung von verletzten oder geschwächten
Greifvögeln ist dann am günstigsten, wenn die Vögel mit falknerischen
Methoden trainiert worden sind. Dass dabei die zeitweise Gewöhnung an
den Menschen nicht problematisch ist, zeigt die vierjährige Studie,
die Michael Lierz mit seinem Kollegen Frederic Launay durchführte.
Hierfür haben Falkner 305 Falken aus der freien Wildbahn sechs Monate
lang falknerisch gehalten. In dieser Zeit haben die Vogelärzte sie
eingehend medizinisch untersucht und mit einem Ring am Bein und einem
Mikrochip versehen. Zwanzig Falken haben sie zudem mit einem
Satellitensender ausgestattet, um sie anschließend weltweit orten zu
können. Dann haben sie die Falken wieder an ihrem ursprünglichen
Fangort freigelassen. Einige der Tiere haben innerhalb weniger Wochen
2000 Kilometer zurückgelegt, um zu ihren Brutgebieten zu gelangen.
"Zudem wurden einige beringte Tiere nach einem Jahr erneut gefangen,
was beweist, dass sie in der freien Natur überleben konnten", sagt
Lierz. "Das falknerische Training ermöglicht also eine erfolgreiche
Rückführung der Vögel in die Natur, und sie kommen mit ihrer wieder
gewonnen Freiheit gut zurecht."

Das falknerische Training ermöglicht es dem Greifvogel, nach einer
Physiotherapie, die zum Beispiel zum Muskelaufbau genutzt wird, in der
freien Natur zu fliegen. Weil Pfleger das Tier zuvor gezähmt haben,
kehrt es nach dem Freiflug zu ihnen zurück. So können die Therapeuten
den Genesungsprozess des Vogels verfolgen. Solange er noch nicht
hundertprozentig leistungsfähig ist, können die Pfleger ihn mit
einfachen Mitteln und relativ stressfrei wieder einholen und weiter
therapieren. Durch den Freiflug hat der Greifvogel die Möglichkeit,
sein natürliches Jagd- und Beuteverhalten zu trainieren. Das ist sogar
mit Beuteattrappen möglich, wodurch auf die Verwendung lebender
Futtertiere verzichtet werden kann. "Bevor der Greifvogel ausgewildert
wird, muss seine Jagdtauglichkeit beurteilt werden", erklärt Michael
Lierz. "Erst wenn gewährleistet ist, dass der therapierte Vogel
erfolgreich jagen kann, darf er endgültig freigelassen werden. Sonst
muss das Training fortgesetzt werden."

Alle Personen, die mit dem Genesungsprozess des Vogels befasst sind,
sollten einen Sachkundenachweis besitzen. "Das ist deshalb wichtig,
weil die Wiederauswilderung in erster Linie durch private
Auffangstationen und ehrenamtliche Mitarbeiter betrieben wird", sagt
Michael Lierz. Sie sollten professionell geschult werden. Bevor das
falknerische Training beginnt, sollte der Patient gründlich von einem
Tierarzt untersucht werden. So können Erkrankungen, die von außen
nicht erkennbar sind, entdeckt und behandelt werden.

In einer zweiten von Lierz durchgeführten Studie mit 84 aufgefundenen
Greifen und Eulen zeigte sich, dass bei 86,3 Prozent der traumatisiert
aufgefundenen Greifvögel weitere pathologische Befunde vorlagen, die
zunächst nicht ersichtlich waren. In fast 61 Prozent der Fälle wurden
infektiöse Ursachen festgestellt. Bei 25,5 Prozent der Fälle konnten
nicht-infektiöse Erkrankungen diagnostiziert werden. "Das Auswildern
von Vögeln, die zuvor nicht tierärztlich behandelt worden sind, ist
nicht zu verantworten. Sie würden in der freien Natur nicht überleben,
weil sie höheren Belastungen unterliegen und dadurch verdeckte
Krankheiten wieder ausbrechen könnten", weiß Lierz. Eine umfassende
Diagnostik sei deshalb unbedingt notwendig. Sie sollte neben einer
Allgemeinuntersuchung eine Röntgendiagnostik, Endoskopie,
Augenuntersuchung, diverse Blutuntersuchungen sowie parasitologische
und mikrobiologische Laboruntersuchungen beinhalten.



 



 

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