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AHO Aktuell - 30.08.2006

Der Kampfhund als Respekt einflössendes Statussymbol der Unterklasse


Bern (aho) - Nachdem die Schweizer Kantone Wallis, Freiburg und Genf
drastische Maßnahmen gegen gefährliche Hunde angeordnet haben und
weitere Kantone wie Zürich und Basel neue Regelungen planen, hat sich
in der Schweiz eine heftige Debatte um Kampfhunde entwickelt.
Gegenüber "SwissInfo" hat jetzt die Ethnologin Jacqueline Milliet vom
französischen Centre National de la Recherche Scientifique ihre
Sichtweise als Wissenschaftlerin erläutert.

Von der gegenwärtigen Kampfhund-Debatte ist Jacqueline Milliet wenig
überrascht. Sie stellt fest, dass die Reaktionen auf die tödlichen
Kampfhundeattacken auf Kinder das übliche Maß der Entrüstung
überschreiten. "Seit einiger Zeit kommt ganz allgemein die Beziehung
zu den Tieren wieder aufs Tapet, wie sie in der westlichen Welt
vorherrscht", wird die Ethnologin Milliet bei "swissInfo" zitiert.
"Die Tiere dienen dabei als Anlass, um über Menschen und deren
Verhalten in der Gesellschaft zu sprechen."

Kampfhunde und Menschen seien historisch gesehen ein "altes Gespann".
"In Städten gab es immer schon Kampfhunde und Hunde-Kämpfe. Erst im
19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Tierschutz-Organisationen wurden
diese Kämpfe unterbunden", so Jacqueline Milliet im Gespräch mit
"swissInfo". "Dieses Zurückbinden erfolgte im Einklang mit dem Wunsch,
die so genannten arbeitenden Massen zu erziehen, denn die Hunde-Kämpfe
waren sehr populär", so Milliet weiter. Mit dem Kampf-Verbot sei auch
eine Änderung in der Art der Hundehaltung eingetreten. Damals begann
sich der Gebrauch des Hundes als Haustier und treuer Begleiter
einzubürgern.

Weshalb tauchen jetzt plötzlich diese vorzeitlichen Hunderassen wieder
an die Oberfläche der Gesellschaft? "Der Hund als Begleittier hilft
vielen, in einer Gesellschaft zu bestehen, in welcher der
Individualismus bis zum Äußersten getrieben wird", sagt die Ethnologin
laut "swissInfo".

"Die Besitzer gefährlicher Hunde sagen sich: Dieses Tier gehört mir,
und wenn ich eines will, das aggressiv ist, ist das meine Sache." Das
Halten eines solchen Begleittiers zeige den Willen, sich
durchzusetzen, so Jacqueline Milliet im Interview. Der Besitzer
kontrolliere seine Fortpflanzung, seine Nahrung, seine Fortbewegung.
Dafür unterstütze das Tier den Status des Besitzers in der
Öffentlichkeit: Nur schon dadurch, dass es angsteinflössend wirke,
fühle sich der Hundehalter in seiner Existenz bestätigt.

Das Aufkommen der Kampfhunde sei im weiteren eine Fortführung des
Klassenkampfs mit anderen Mitteln, sagt die Ethnologin: "Es handelt es
sich um ein äußerliches Zeichen von Gewalt-Status, ähnlich wie die
vierrad-angetriebenen Gelände-Wagen." Ohne grundlegende Studien könne
sie zwar keine prototypische Charakterisierung des Pitbull-Halters
abgeben. Sie nimmt aber an, dass das Halten solcher äußerlicher
Kraftsymbole eine Reaktion auf das Verhalten der privilegierten
Klassen sei, die sich zum Beispiel 4X4-Statusfahrzeuge zulegten.

Das Thema sei nicht neu. Doch der Umstand, dass es wieder aufkommt
und seinen Platz in einer schnell ändernden Gesellschaft einnimmt,
zeige , wie sehr sich die Gesellschaft in der Krise befinde und von
neuem darüber zu befinden habe, was Natur und was Kultur sei - was
Bestialität und was Zivilgesellschaft.

Jede gesellschaftliche Änderung gehe mit Gewalt vor sich. "Und da
sich diese Gewalt kaum kanalisieren lässt, versucht man, sie über
Begleittiere etwas im Zaum zu halten", schließt Jacqueline Milliet das
Gespräch mit "swissInfo".



 



 

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