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AHO Aktuell - 31.03.2007

Jugendarbeitsschutz auf Reiterhöfen: Pferde striegeln - Hobby oder Arbeit?


Münster (aho) - Jetzt beginnen die lang ersehnten Osterferien. Endlich
keine Hausaufgaben mehr und kein Lernstress für die Arbeiten! Für
viele Kinder und Jugendliche gibt es nichts Größeres, als nun noch
mehr Zeit mit ihren heißgeliebten Pferden zu verbringen. Was sie dort
tun, ist für sie natürlich keine Arbeit. Das sieht die
Arbeitsschutzbehörde allerdings etwas anders.

Die 15-jährige Meike ist schon ganz ungeduldig. Sie packt Reitstiefel,
Weste und ein paar Leckerlis und schwingt sich aufs Fahrrad: "Am
meisten freue ich mich darauf, jetzt von morgens bis abends bei den
Pferden zu sein, denn das sind meine besten Freunde." In den Ferien
will sie täglich viele Stunden auf einem Reiterhof arbeiten und dort
die Pferde ausführen, auf die Weide bringen, waschen, striegeln, Hufe
auskratzen, longieren, mit ihnen ausreiten, die Boxen ausmisten, die
Stallgassen fegen, mit ihren "Kolleginnen" fachsimpeln und natürlich
auch mit den geliebten Vierbeinern schmusen!

Sonst bleiben Meike nach der Schule immer nur zwei bis drei Stunden,
in denen sie sich um ihr Pflegepferd "Susi" kümmern kann - viel zu
wenig Zeit, findet sie. In den Ferien wird der Reiterhof zu ihrem
ersten, pardon, zweiten Zuhause. Und nicht nur für sie. Ihre
Freundinnen sind genauso begeisterte Pferdenarren. Meikes Eltern sehen
das Engagement ihrer Tochter zwar kopfschüttelnd, aber mit einem
gewissen Wohlwollen. Denn sie können sich ziemlich sicher sein:
solange Meikes Herz so für die Vierbeiner schlägt, kommt sie kaum auf
dumme Gedanken". Außerdem lernt sie ganz nebenbei zuverlässiges,
verantwortungsvolles und diszipliniertes Handeln, stärkt ihr
Durchhaltevermögen, ihre Teamfähigkeit, ihre Durchsetzungskraft und
andere so genannte "soft skills" (Schlüsselqualifikationen), die ihr
später sehr nützlich sein werden.

Szenenwechsel: Ein paar Kilometer weiter schuftet die ebenfalls
15-jährige Pia ab 6 Uhr morgens bis spät abends fast alleine im Stall.
Sie schleppt schwere Säcke, Wassereimer und Strohballen, schafft den
Mist weg, pflegt Sättel und Zaumzeug, hilft beim Aufsatteln. Zu ihren
täglichen Aufgaben gehört auch, die Pferde zu putzen, zu tränken und
zu füttern, zu longieren und dem Hufschmied zu assistieren. Für
längere Pausen oder zum Reiten bleibt ihr dabei gar keine Zeit. "Meist
habe ich hier niemanden, den ich um Hilfe oder Rat fragen könnte",
klagt sie. Von den Pferdebesitzern wird sie dagegen oft auch noch
kritisiert, dass die Box nicht sauber genug sei. Das alles hatte sich
die Tiernärrin eigentlich anders vorgestellt, als sie sich auf die
Anzeige in Ihrer Tageszeitung hin hier mit großer Begeisterung
beworben hatte. Darin hatte es geheißen: "Du magst Pferde und hast
Spaß daran, sie zu pflegen und zu reiten? Bei uns kannst Du Deinen
Traum kostenlos verwirklichen"."

Immer wieder werden Jugendliche, die in den Ferien, während eines
Praktikums oder in ihrer Freizeit nach der Schule auf Reiterhöfen mit
großem Enthusiasmus arbeiten, dabei leider regelrecht ausgenutzt. Dass
sie aufgrund ihrer Pferdeliebe als billige Arbeitskraft missbraucht
werden, ist ihnen meist gar nicht bewusst. Oft werden ihnen Arbeiten
aufgetragen, die ihre körperlichen Fähigkeiten übersteigen. Manchmal
sind sie sogar die einzige Arbeitskraft und für alles alleine
verantwortlich. Es gibt sogar Fälle, in denen die sie zwölf Stunden
und mehr arbeiten müssen. Jugendliche werden durch viel versprechende
Stellenanzeigen geködert und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen
angelockt. Das ist natürlich nicht die Regel. Die schwarzen Schafe
sind Einzelfälle. Allerdings gibt es ein paar grundlegende Aspekte und
Gesetze, die alle Reiterhöfe berücksichtigen müssen, wenn sie
Jugendliche beschäftigen wollen. Und oft wissen die Hofbesitzer nicht
einmal, dass sie gegen Jugendarbeitsschutzbestimmungen verstoßen. Denn
wenn der Jugendliche nicht aus reiner Gefälligkeit handelt, dann ist
der Landwirt sein Arbeitgeber. Er ist daher verpflichtet, die
Gefährdungen am Arbeitsplatz vor Beginn der Beschäftigung "zu
beurteilen" und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen und die
Jugendlichen darüber zu unterrichten. Um Arbeitgeber zu sein, muss der
Pferdehofbesitzer nicht unbedingt Lohn zahlen! Es genügt in der Regel
schon, wenn er Arbeitszeit und Aufgaben bestimmt. Kinder und
Jugendliche sollen durch das Jugendarbeitsschutzgesetz vor
Überbeanspruchung, Überforderung und Gefahren am Arbeitsplatz
geschützt werden. Das Gesetz gilt für die Beschäftigung aller
Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind und beinhaltet eine Reihe
von Beschäftigungsverboten und Arbeitszeitregelungen. Ausgenommen
davon sind geringfügige Hilfeleistungen, soweit diese gelegentlich aus
Gefälligkeit oder aufgrund familienrechtlicher Vorschriften erbracht
werden. Auch in landwirtschaftlichen Betrieben sind bei der Betreuung
von Haustieren, bei der Ernte oder beim Verkauf von
landwirtschaftlichen Erzeugnissen die gesetzlichen Grenzen zu
beachten. Grundsätzlich gilt hier: Kinder unter 13 Jahren dürfen
generell nicht beschäftigt werden. Ab dem 13. Lebensjahr sind leichte
und geeignete Tätigkeiten wie die Versorgung von (Haus)Tieren oder
Hilfe bei der Ernte zugelassen, jedoch nicht während der Schulzeit,
nicht vor dem Schulunterricht und nicht länger als drei Stunden
täglich. Die Kinder und vollzeitschulpflichtigen Jugendlichen dürfen
nur zwischen 8 Uhr morgens und 18 Uhr abends arbeiten. Die Tätigkeit
darf die schulischen Leistungen nicht beeinträchtigen. Im Rahmen des
Schülerbetriebspraktikums ist die Beschäftigung von Kindern allerdings
umfangreicher möglich.

Ferienarbeit ist für Jugendliche, die mindestens 15 Jahre alt sind,
für vier Wochen im Jahr erlaubt. Sie dürfen dann nicht mehr als acht
Stunden täglich und fünf Tage pro Woche arbeiten und keine
gefährlichen Tätigkeiten ausüben. Jugendliche ab 16 Jahren können in
der Landwirtschaft auch schon um 5 Uhr morgens beginnen oder bis 21
Uhr tätig sein. Wenn sie ihre Vollzeitschulpflicht erfüllt haben, ist
die Dauer der Ferienarbeit nicht mehr auf vier Wochen begrenzt.
Ruhepausen müssen vorher festgelegt werden. Sie müssen mindestens 15
Minuten dauern, bei einer Arbeitszeitdauer von viereinhalb bis sechs
Stunden mindestens 30 Minuten und bei mehr als sechs Stunden sogar 60
Minuten. Zwischen Arbeitsende und Arbeitsbeginn sind mindestens zwölf
Stunden Ruhezeit einzuhalten. Die Sorgeberechtigten müssen der
Beschäftigung zustimmen

Arbeitsschutzbeamte der Bezirksregierung Münster werden in den
nächsten Wochen und Monaten die Beschäftigungszeiten und
Arbeitsbedingungen der jungen Leute auf den Reit- und Ferienhöfen
überprüfen. Sie überwachen, ob die Vorschriften des
Jugendarbeitsschutzgesetzes und der Kinderarbeitsschutzverordnung
eingehalten werden. Die Bezirksregierungen sind in Nordrhein-Westfalen
als Aufsichtsbehörden für den Arbeitsschutz zuständig.

Wer Fragen zum Jugendarbeitsschutz auf Reiterhöfen hat, kann sich an
Manfred Reichenberg (Telefon 02541 845-300), Johann Bar (Telefon 02541
845-345) oder Ruth Printing (Telefon 02361 581221) bei der
Bezirksregierung Münster wenden.




 



 

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