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AHO Aktuell - 15.07.2007

BGH – Urteil: Beweislastumkehr gemäß § 476 BGB beim Kauf einer Katze


Karlsruhe (aho) - Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige
VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte erneut über die Frage
zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Beweislastumkehr
gemäß § 476 BGB eingreift. Nach dieser Vorschrift wird bei einem
Verbrauchsgüterkauf – dem Verkauf einer beweglichen Sache oder eines
Tieres (§ 90a BGB) durch einen Unternehmer an einen Verbraucher –
regelmäßig vermutet, dass ein Sachmangel, der sich innerhalb von
sechs Monaten seit der Übergabe an den Käufer zeigt, schon bei der
Übergabe vorhanden war. Das gilt allerdings dann nicht, wenn diese
Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.

Im vorliegenden Fall verkaufte die Beklagte, die die Zucht von Katzen
betreibt, der Klägerin am 11. August 2002 einen Kater als Zuchttier zu
einem Kaufpreis von 660 €. Die Klägerin besaß unter anderem bereits
zwei weibliche Katzen, deren Würfe sie jeweils verkaufte. Der Kater
wurde ihr am 6. Oktober 2002 übergeben. Am 26. Oktober 2002 wurde bei
ihm die Pilzerkrankung Microsporum canis festgestellt. Die Klägerin
verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen aufgewendeter
Tierarztkosten für die Behandlung des Katers sowie ihrer weiteren
Katzen.

Ob der Kater bereits bei der Übergabe an die Klägerin mit den
Erregern der Krankheit infiziert war – nur in diesem Fall handelt es
sich um einen Mangel des verkauften Katers, für den die Beklagte als
Verkäuferin haftet – konnte nicht geklärt werden. Nach dem vom
Amtsgericht eingeholten tiermedizinischen Gutachten kann die
Inkubationszeit sieben bis vierzehn Tage, aber auch bis zu anderthalb
Jahre betragen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die
Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass der
Kater bereits bei der Übergabe von dem Krankheitserreger befallen
gewesen sei. Sie könne sich auch nicht auf die Vermutungswirkung des
§ 476 BGB berufen. Zweck der Vorschrift sei es, das Ungleichgewicht
zwischen Unternehmer und Verbraucher auszugleichen, das sich aus den
besseren Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten des Unternehmers
hinsichtlich der Beschaffenheit der von ihm verkauften Ware ergebe.
Könne der Unternehmer den Mangel aber trotz sorgfältiger Untersuchung
ebenso wenig erkennen wie der Verbraucher, bestehe kein Anlass, den
Verbraucher durch eine Beweislastumkehr zu schützen. So verhalte es
sich im Streitfall; denn die Infektion mit dem Krankheitserreger sei
vor dem sichtbaren Ausbruch der Krankheit ohne Laboruntersuchung
weder für den Käufer noch für den Verkäufer zu erkennen.

Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten. Er hat
entschieden, dass die Beweislastumkehr nach § 476 BGB zugunsten der
Klägerin nicht aus dem vom Berufungsgericht angenommenen Grund
ausgeschlossen ist. Zwar trifft es zu, dass der gesetzlichen Regelung
die Erwägung zugrunde liegt, dass ein Verkäufer, der als Unternehmer
eine bewegliche Sache an einen Verbraucher verkauft, jedenfalls in
engem zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe typischerweise über
bessere Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten verfügt als der
Verbraucher. Das Eingreifen der Vermutung hängt entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts aber nicht davon ab, ob im
Einzelfall ein Wissensvorsprung des Unternehmers hinsichtlich der
Mangelfreiheit der Kaufsache besteht. Andernfalls würde die
Beweislastumkehr bei verdeckten Mängeln wie etwa beim Verkauf
originalverpackter Ware generell nicht eingreifen und der spezifisch
Verbraucher schützende Charakter der Vorschrift damit weitgehend leer
laufen.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts deshalb
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen. Das Landgericht wird nunmehr unter anderem
festzustellen haben, ob die Klägerin Verbraucherin ist oder ob ihre
Katzenzucht, wie die Beklagte geltend macht, als gewerbliche
Tätigkeit einzustufen ist. Anders als das Berufungsgericht angenommen
hat, muss nicht die Beklagte, sondern nach allgemeinen
Beweislastgrundsätzen die Klägerin darlegen und beweisen, dass sie
beim Abschluss des Kaufvertrags als Verbraucherin gehandelt hat, weil
sie es ist, die sich auf die Anwendbarkeit der für sie günstigen
Verbraucherschutzbestimmung des § 476 BGB beruft.

Urteil vom 11. Juli 2007 - VIII ZR 110/06

AG Krefeld - Urteil vom 12. September 2005 - 70 C 139/04
LG Krefeld - Urteil vom 7. April 2006 - 1 S 116/05



 



 

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